Die Brueder des Kreuzes
Schon seit einer Stunde bearbeitete er einen Pfosten mit seinem Breitschwert, und er begann gerade zu glauben, dass er nie wieder imstande sein würde, die Arme zu heben, als ein Laienbruder auf ihn zutrat und ihm sagte, Bruder Justin wolle ihn unverzüglich sehen.
Er fand den Novizenmeister an derselben Stelle, wo er sich gestern von ihm getrennt hatte, über den langen Arbeitstisch in seinem privaten Zimmer gebeugt. Sobald er ihn sah, wusste er, dass etwas nicht stimmte.
»Was?«, setzte er an. »Was ist? Hat de Troyes unsere Idee abgelehnt?«
Der Blick, den Justin ihm zuwarf, drückte zum einen Teil Wut aus, zum anderen Verwunderung.
»Wovon sprecht Ihr? Nein, de Troyes hat gar nichts abgelehnt. Was das angeht, ist alles unter Kontrolle. Aber Euer Vater wird Euch nicht besuchen kommen.«
»Warum das denn nicht? Er hat doch gesagt, er kommt heute Nachmittag.«
»Aye, das hat er, doch das war, bevor in der Stadt der Wahnsinn ausgebrochen ist.«
»Welcher Wahnsinn? Was ist los?«
»Ihr wisst nichts davon? Nein, anscheinend nicht. Nun, es ist nichts Besonderes. Euer Lehnsherr hat sich nur wieder einmal daran erinnert, dass er die Juden hasst, also sind sie dabei, die ganze Stadt auf den Kopf zu stellen und sie aus sämtlichen Winkeln hervorzuholen.«
»Wen? Die Juden? Es gibt in Limassol keine Juden.«
»Es gibt überall Juden, Master St. Clair, wenn man ganz genau hinsieht, und ihre Verfolgung ist ein Verbrechen vor Gott. Irgendetwas muss diesen jüngsten Wahnsinn heute Vormittag ausgelöst haben, doch ich weiß nicht, was es war. Ich weiß nur, dass es Richard fürchterlich in Rage gebracht hat und er daraufhin die Festnahme sämtlicher Juden auf Zypern angeordnet hat. Und da er Isaac Comnenus für einen Juden hält, hat er seine gesamte Armee am Strand vor dem Stadttor aufmarschieren lassen, um ihn aufzuspüren. Es ist wirklich Wahnsinn. Als sein Kriegsberater hat Euer Vater alle Hände voll damit zu tun, doch er lässt Euch immerhin ausrichten, dass er Euch alles Gute wünscht, falls Ihr ihn vor Eurer Abreise nach Acre nicht mehr seht.«
»Woher wusste er denn, dass ich nach Acre fahre?«
»Ich habe meinem Boten aufgetragen, es ihm zu sagen, als Grund für Euren Wunsch, ihn heute zu sehen.«
»Und warum seid Ihr darüber wütend?«
»Wütend? Ich bin nicht wütend. Ich bin nur frustriert, weil ich einige der Männer, die ich gern bei der Zeremonie dabeigehabt hätte, nicht finden kann. Wir werden aber vorgehen wie geplant, also haltet Euch eine Stunde nach Anbruch der Dunkelheit bereit. Fünf oder sechs der Männer, die ich gern dabeigehabt hätte, werden fehlen. Nun ja, wir unterhalten uns hinterher. Und morgen brecht ihr mit einer schnellen Galeere nach Acre auf, einem der besten Templerschiffe. Ihr werdet einige Depeschen für den ranghöchsten Tempeloffizier dort mitnehmen. Soweit ich weiß, ist dies der Marschall selbst, ein Ritter aus dem Languedoc, der denselben Vornamen trägt wie Ihr, André. Es ist André Lallières aus Bordeaux. Ist Euch dieser Name vertraut?«
»Nein, sollte er das?«
»Vielleicht. Er ist einer von uns. Er ist am selben Tag wie ich in die Bruderschaft erhoben worden, und seine Familie ist eine der Ursprungsfamilien. Nun macht Euch bereit für heute Abend. Zwei Ritter werden Euch abholen.«
»Was muss ich tragen?«
»Das, was Ihr jetzt tragt. Euer Novizengewand. Man wird es Euch abnehmen, und nach der Weihe wird man Euch formell einkleiden. Nun geht, ich habe noch einiges zu erledigen.«
Der Rest des Tages verstrich mit schier unglaublicher Langsamkeit, doch irgendwann war er vorbei, und als sich die Dunkelheit über die Stadt legte, wartete er voller Ungeduld.
Acht Stunden später stand er bei Tagesanbruch des siebzehnten Mai auf einem der Hafendocks, flankiert von zwei Rittern, deren Gewänder um einiges weniger neu und auffallend waren als die seinen. Er trug den brandneuen, vollen weißen Überwurf eines Tempelritters mit dem roten Kreuz. Dieser bedeckte einen Kettenpanzer, der so neu war, dass er noch genauso steif war wie die ebenso neuen kniehohen Stiefel. Die gepanzerte Kapuze, die seinen Kopf umhüllte, fühlte sich seltsam und beengend an, doch der Helm, den er darüber trug, war bequem. An seiner Hüfte hing das Schwert, das ihm Richard geschenkt hatte.
Hinter ihm stand sein persönlicher Knappe, ein Laienbruder, den man ihm heute Morgen zugeteilt hatte und dessen wichtigste Aufgabe es war, dafür zu sorgen, dass Sir Andrés Ausrüstung stets gut gepflegt
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