Die Brueder des Kreuzes
zu finden, die Ihr verborgen und zurückgelassen habt.«
»Hmm.«
Herablassung, vielleicht sogar Verachtung lag in dieser Silbe, doch Sinclair hatte seinen Entschluss gefasst.
»Nun gut, wir sollten diese Depeschen holen und dann unserer Wege gehen. Es klingt ganz so, als hätte ich viel zu lesen, und ich denke, je schneller ich mich daran begebe, desto besser. Könnt Ihr Euren Freund herbeipfeifen? Ich reite mit Euch zurück, so weit ich kann, doch ich werde mich von Euch trennen, bevor wir uns dem Feldlager von Acre nähern, denn ich möchte nicht gesehen werden. Wenn ich alles gelesen habe und weiß, was man von mir will, schicke ich sie Euch zurück, damit Ihr sie lesen könnt. Wenn Ihr es schon riskiert, mit mir umgebracht zu werden, scheint es mir doch nur angemessen, dass Ihr auch wisst, was wir zu erreichen versuchen. Ich gehe ohnehin davon aus, dass jedem von uns eine Aufgabe zugeteilt ist, selbst wenn es keinen Sinn hat, darüber zu spekulieren, wie diese aussehen könnte. Außerdem werde ich Euch Anweisungen zukommen lassen, wo Ihr mich das nächste Mal antreffen werdet. Ich verspreche Euch, dass es nicht so kompliziert und weit sein wird. Und nun ruft Harry.«
ANFANGS unterhielten sich die Männer über Belanglosigkeiten, bevor sie in kameradschaftliches Schweigen versanken und eine Weile nichts mehr zu hören war außer Hufgeräuschen und dem Ächzen des Sattelleders. Wieder einmal fiel St. Clair auf, dass kein Metallklirren zu hören war. Keiner der Männer benutzte ein Metallgebiss für sein Pferd. Das war eins der ersten Dinge, die ihm hier aufgefallen waren. In der Wüstenluft waren Geräusche weithin zu hören, und in den Anfangstagen der Feldzüge war so mancher Ritter sinnlos umgekommen, weil sein Zaumzeug geklirrt hatte. Dann holte ihn das Räuspern seines Freundes Douglas, der zum Reden ansetzte, in die Gegenwart zurück.
»Darf ich Euch eine Frage stellen, Sir Alexander? Eine Frage, die zu stellen ich kein Recht habe?«
Alec sah Harry belustigt an.
»Ihr meint eine aufdringliche Frage. Das dürft Ihr, doch Ihr klingt ominös, daher behalte ich mir vor, nicht zu antworten. Fragt nur.«
»Eins der ersten Dinge, die Ihr heute zu uns gesagt habt, als es darum ging, dass Ihr nicht wusstet, ob Ihr Euch mit uns treffen solltet oder nicht … nun, Ihr habt gesagt, dass Ihr heutzutage kaum noch jemandem über den Weg traut und dass Ihr gedacht habt, man hätte Andrés kleine Geschichte mit seiner Nase benutzt, um Euch aus Eurem Versteck zu locken.«
»Das ist richtig. Was wollt Ihr mich fragen?«
Harry warf ratlos die Hände in die Luft.
»Ihr seid ein Mönch, genau wie André und ich. Wir sind alle drei Templer, und das bedeutet, dass wir außer unserer Tapferkeit wenig besitzen, das den Neid unserer Kameraden hervorrufen könnte. Wolltet Ihr andeuten, dass Euch die anderen Templer etwas Böses wollen? Und wenn nicht sie, wer dann? Halt, halt …«
Er zwang sich zur Ruhe und begann von Neuem.
»Was ich fragen will, Master Sinclair, ist, warum ein ausgezeichneter Ritter wie Ihr, ein langjähriger Veteran der Wüstenkriege, solche Angst vor seinen Gesinnungsgenossen hat, dass er das Bedürfnis hat, allein im Verborgenen zu leben. Das ist meine Frage.«
»Darauf gibt es keine kurze Antwort, Harry«, sagte Sinclair nach einem Moment des Nachdenkens. »Ja, es gibt einige Männer unter meinen Templerbrüdern, die mir zwar vielleicht nichts Böses wollen, aber gewiss auch nichts Gutes. Doch in dieser Armee gibt es nicht nur Mönche, die Armut gelobt haben und von ihrem Leben nichts erwarten. Ob Ihr es glaubt oder nicht, ich habe gute Gründe dafür, allein und versteckt zu leben. So groß ist der Unterschied zu der von uns gewählten Lebensweise im Übrigen gar nicht, Harry. Ich lebe allein, also gerate ich kaum in Versuchung. Außerdem lebe ich sehr schlicht und lebe von dem, was ich fangen, eintauschen oder manchmal auch anbauen kann. Und ich habe viel Zeit, zu beten und über das Jammertal nachzudenken, in dem wir leben. Ich lebe zwar vielleicht nicht wie ein Mönch, dafür aber wie ein Eremit.«
Er verstummte einen Moment.
»Die Probleme, die ich in der jüngeren Vergangenheit hatte, entspringen zum Großteil der Tatsache, dass ich Gefangener der Sarazenen gewesen bin.«
»Eure Gefangenschaft?«, sagte André. »Verzeiht mir, aber ich muss Euch falsch verstehen. Wie kann denn die Tatsache, dass Ihr ein Gefangener wart, Euch jetzt noch Probleme bereiten? Seid Ihr etwa zum Islam
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