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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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inne, doch als er dann fortfuhr, hatte seine Stimme den deklamierenden Tonfall eines Predigers angenommen.
    »Ein Ritter braucht nicht zu lesen oder zu schreiben. Für so etwas hat er keine Zeit. Man erzieht ihn einzig zum Kampf, mehr braucht er in seinem Leben nicht zu wissen. Und so bleibt er zu dumm, um das erschreckende Ausmaß seiner eigenen Ignoranz zu begreifen. Um dennoch einen klugen Eindruck zu machen, ist es unter Rittern üblich, die Worte anderer nachzuplappern, oft genug falsch, bis die Luft voller leerer Worte ist, die von Narren wiedergekäut werden. Das ist das Lebenswerk der meisten Männer, die diese Armee bilden. Und auch ihre Vorgesetzten sind ihnen kaum überlegen, beeinflussen jedoch dennoch ihre Denkweise, obwohl sie kaum gebildeter sind als ihre Untergebenen.«
    Er hielt inne, und seine Stimme wurde jetzt wieder leiser – und todernst.
    »Die Kleriker hingegen – Priester, Kirchenfürsten, die sogenannten Gottesmänner – besitzen unglaubliche Macht. Ich halte sie für die wahren Schurken unserer Zeit. Ihre Ignoranz ist von einer anderen Sorte. Sie sind bösartig und tyrannisch, werden von ihrer eigenen Selbstherrlichkeit verzehrt und sind oft doch nur genauso blind und bigott wie die dümmsten ihrer Anhänger.«
    Harry Douglas sah Sinclair mit weit aufgerissenen Augen an und hatte den Mund ein wenig geöffnet, als wollte er etwas sagen, könne aber seinen Kiefer nicht bewegen. Dann jedoch fand er die Sprache wieder.
    »Das habt Ihr den Priestern ins Gesicht gesagt?«
    In Alecs Mundwinkeln zuckte ein Grinsen.
    »Nein, ich habe nichts dergleichen getan. Glaubt Ihr, ich bin lebensmüde? Ich habe nur gewagt, laut zu sagen, dass ich während meines jahrelangen Aufenthalts unter den Feinden nie gesehen habe, wie sie Menschenfleisch essen, Unzucht mit Tieren treiben oder sich dem Teufel verdingen, um magische Siege über die Christenarmeen heraufzubeschwören. Ich habe gesagt, dass die Sarazenen unserem eigenen Volk in vielerlei Hinsicht überraschend ähnlich sind – sie lieben ihre Kinder, ehren die Alten, erfüllen Bürgerpflichten, zahlen Steuern und lassen ihre Familien zurück und reiten in den Krieg, wenn man sie zu den Waffen ruft. Und ich habe mich geweigert, diese Worte zu widerrufen.«
    Er zuckte mit den Achseln.
    »Das allein hat schon ausgereicht, um sie in Entrüstung zu versetzen und mich aus dem Kreis meiner sogenannten zivilisierten Kameraden zu verstoßen. Also bin ich vor drei Monaten gegangen.«
    »Würdet Ihr jetzt gern mit uns zurückkehren?«
    Erneutes Achselzucken.
    »Nein, ich denke nicht. Ich bin schon länger allein, als ich nach meiner Rückkehr im Lager gelebt habe, und ich muss feststellen, dass ich es so vorziehe. Außerdem bin ich ja nicht immer allein. Ich habe Freunde, die mich hin und wieder besuchen.«
    Er sah sich um.
    »Seht, wir sind in der Wüste. Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell sich die Landschaft ändert.«
    So war es. Sie hatten die Felsenlandschaft abrupt verlassen und befanden sich nun in einer offenen Sandwüste, in der hier und dort ein vertrockneter Strauch zu sehen war und die einzigen Steine Kiesel von der Größe eines Männerdaumens waren. Vor ihnen begann der Sand allmählich zu einer Dünenlandschaft anzusteigen, doch hier hatten sie nur nackte Erde und sandigen Lehm unter den Füßen, und in ihrem Rücken stand eine gerade Linie aus Felsbrocken, die so ebenmäßig war, dass sie eine von Menschenhand errichtete Grenzmauer hätte sein können.
    St. Clair fühlte sich plötzlich beklommen und verletzbar, weil sie völlig ungeschützt waren. Unwillkürlich setzte er sich gerader hin, ließ die Hand an seinen Schwertgriff sinken und streckte das Bein vor, um den Schild zu berühren, der an seinem Sattelknauf hing. Im selben Moment tat Harry Douglas das Gleiche, und Alec Sinclair lächelte vor sich hin und richtete den Blick auf die Dünen, die wie eine tief hängende Wolke am Horizont aussahen. Dann trieb er sein Pferd zum Galopp an.
    Harry gab seinem Pferd die Sporen, um ihm zu folgen.
    »Warum hasst Ihr Priester und Bischöfe so sehr?«, rief er im vollen Galopp, gefolgt von André. »Ich meine, ich habe selbst nicht die allerhöchste Meinung von ihnen, aber Ihr scheint ja wirklich voller Verachtung zu sein.«
    Ohne ihn anzusehen, rief Sinclair zurück: »Da irrt Ihr Euch. Ich habe nichts von Bischöfen und Priestern gesagt. Ich habe Gottesmänner gesagt. Die ganze Sache ist viel komplexer als eine bloße Abneigung gegen Priester

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