Die Brueder des Kreuzes
vielsprachigen und äußerst wohlhabenden Stadt entwickelt, die Kaufleute und Handelsschiffe aus der ganzen Welt anlockte – bis zur Eroberung durch Saladin im Jahr 1187.
Über Nacht war der Wohlstand verschwunden, die christlichen Kirchen waren ihrer Kreuze und Glocken beraubt worden, und man hatte die Moscheen der Stadt neu instand gesetzt und wieder geöffnet. Vor allem aber hatten sich die Sarazenen darangemacht, die Verteidigungsanlagen der Stadt zu verstärken – daran arbeiteten sie nun seit vier Jahren.
Mit dem Eintreffen der Frankenarmee hatte sich dann vor zwei Jahren eine neue Eigendynamik entwickelt. Die Christenflotte bestand zum Großteil aus italienischen Kriegsschiffen, die die arabischen Daus und Galeeren winzig erscheinen ließen. Sie hatten eine Seeblockade errichtet, und es war Guido und seiner kleinen Armee überlassen geblieben, die Landseite der Stadt zu blockieren – ein Unterfangen, das leichter zu beschreiben als zu vollenden war.
Die Stadt Acre war in etwa dreieckig angelegt und auf einer hakenförmigen Erhebung erbaut. Im Westen und Süden war sie vom Meer umspült, und sie besaß einen inneren und einen äußeren Hafen. Der innere Hafen war von einer massiven Kette geschützt, die zur Abwehr angreifender Schiffe aus dem Meer gehoben werden konnte. Auf der Landseite wurde die Stadt von zwei hohen, parallel verlaufenden Mauern geschützt. Diese waren mit Türmen versehen, deren Abstand so gewählt war, dass er es ermöglichte, jeden Angreifer mit vernichtenden Pfeilsalven zu empfangen. Diese Mauern waren von den Templern und den Hospitalrittern erbaut worden, die in den Jahren vor Hattin in großer Zahl in Acre gelebt hatten. In den Anfangstagen der Belagerung lernten die fränkischen Angreifer die stabile und durchdachte Bauweise dieser Mauern zu schätzen, und sie erfuhren rasch am eigenen Leib, wie töricht jeder direkte Angriffsversuch war.
Also hatten sie ihre Belagerungsmaschinen und Katapulte aufgebaut und konzentrierten ihre geballte Feuerkraft auf einen Punkt, den man für den stärksten, gleichzeitig aber auch den empfindlichsten Punkt der Mauern hielt, eine rechtwinklige Ecke im Nordosten der Mauer, die von einem Turm überragt wurde, den man den Verfluchten nannte. Als dann die Belagerung ihren Lauf nahm, wurde ihnen jedoch bewusst, dass man ihnen problemlos in den Rücken fallen konnte, falls der Sultan mit seiner Armee zur Unterstützung Acres anrückte.
In dieser Situation hatte man sich den Graben ausgedacht. Über ein Jahr lang hatten sich die Franken damit abgeplagt, einen breiten, befestigten Graben anzulegen, der sich zwei Meilen landeinwärts erstreckte und die Stadt auf der Landseite von jeder Hilfe abschnitt. Bald darauf begannen Saladins Truppen einzutreffen, doch es wollte ihnen nicht gelingen, die fränkischen Belagerer anzugreifen, die sicher in ihrem Graben saßen und zur einen Seite Acre angriffen, während sie sich zur anderen gegen Saladin verteidigten.
Dann wiederum errichtete Saladin seinerseits eine Blockade und errichtete einen dicht bemannten Gürtel, der sich über drei Meilen hinweg erstreckte und die Franken von jedem Nachschub abschnitt. Es gelang ihnen nur selten, auf dem Seeweg an Vorräte zu gelangen, denn die Sarazenen wachten mit Argusaugen über die Stelle, an der ihr Graben über den Strand verlief, und lauerten stets auf Versuche, Vorräte an Land zu schmuggeln. Hin und wieder kam etwas zu ihnen durch, doch es war nie genug – und nicht annähernd oft genug. Seit einigen Monaten jedoch strömten Männer aus allen Ländern der Christenwelt nach Acre, um den Belagerern den Rücken zu stärken, und die Christen wussten, dass die Garnison in der Stadt dem Verhungern nah war und nicht mehr lange durchhalten würde.
Am zwanzigsten April 1191 war Philip Augustus von Frankreich in Acre gelandet und hatte das Oberkommando über die Belagerung von seinem Neffen Fürst Henri de la Champagne übernommen. In kürzester Zeit richtete er seinen Kommandoposten vor dem verfluchten Turm ein, verstärkte die Belagerungsmaschinerie durch seine eigenen Katapulte und befestigte seine Artilleriewaffen auf Schanzen aus Stein und Eisen.
Nachdem sie den höchsten Punkt der Wallbefestigung erklommen hatten, standen André und Henry nach Acre gewandt auf dem Erdwall und sahen zu, wie die französischen Katapulte unerbittlich Felsbrocken von der Größe eines Pferdes gegen die Mauern des verfluchten Turmes schleuderten. Dieser, so erzählte Harry, verdankte
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