Die Brueder des Kreuzes
unterhielt sich aber weiter auf Französisch mit André.
»Ihr werdet also feststellen, dass Euch die meisten von ihnen höflich, wenn auch nicht unbedingt freundlich begegnen, doch Ihr dürft niemals vergessen, wer diese Menschen sind, André, und Ihr dürft ihnen niemals trauen. Sie sind Assassinen. Unsere Bruderschaften mögen vieles gemeinsam haben, doch wir als Brüder haben nichts mit ihnen gemein. Seid stets vor Ihnen auf der Hut.«
Wieder wechselte er übergangslos ins Arabische, denn er hatte gesehen, wie Ibrahim beim Klang des Namens »Assassinen« erstarrte.
»Verzeiht mir, Ibrahim, mein Freund, dass ich so unhöflich bin und die Ferenghi zunge spreche, doch meinem Vetter fällt es noch leichter, in unserer Sprache zu lernen als in der Euren. Ich habe ihm von der Geschichte Eurer Bruderschaft erzählt und von den Erfolgen, die sie erzielen konnte, seit Rashid al-Din vor über vierzig Jahren aus Syrien gekommen ist. Doch eigentlich könnt Ihr das natürlich viel besser, und diese Dinge in Eurer Sprache aus Eurem Mund zu hören, wäre für ihn sehr nützlich. Würdet Ihr uns beiden die Ehre erweisen, meinem Vetter Eure Sichtweise zu erklären?«
Dazu war Ibrahim gern bereit, auch wenn er seinen mürrischen Argwohn nicht ganz ablegte. Zwei Stunden lang redete er ohne Pause und überraschte André durch seine gewählte Ausdrucksweise und sein Wissen. Seine persönlichen Überzeugungen unterstrich er mit analytischen und sogar philosophischen Anmerkungen über das, was die Schiiten gegen das sunnitische Kalifat vollbracht hatten, das inzwischen durch Saladin personifiziert wurde. Als Vergeltung dafür, dass dieser die Vernichtung der Assassinen angeordnet hatte, hatte man ihm bereits dreimal nach dem Leben getrachtet, und zweimal war er nur durch Zufall entkommen. Doch beim dritten Versuch, den Ibrahim persönlich auf Anweisung Rashid al-Dins ausgeführt hatte, war ihnen das gelungen, was unbemerktes Versagen nicht bewirken konnte: Eines Tages war Saladin aus dem Schlaf erwacht und hatte warme Plätzchen und einen Assassinendolch auf seinem Kopfkissen vorgefunden. Die Botschaft hinter dieser Geste war unmissverständlich: Saladins Leben war nirgendwo sicher, nicht einmal in seinem eigenen Zelt, unter den Augen seines Leibwächters und inmitten seiner gigantischen Armee,
Seit jenem Tag schlief Saladin in einem Pavillon aus Holz, den er speziell hatte anfertigen lassen und der ihn überallhin begleitete. Nie wieder hatte er zum Handeln gegen Rashid al-Din und seine Anhänger aufgerufen.
Lange bevor Ibrahim zu Ende erzählt hatte, ließen sie die felsigen Ebenen hinter sich und betraten das bergige Gelände der nördlichen Region. Als sich die Schatten am späten Nachmittag zu verlängern begannen, erreichten sie ein hochgelegenes Bergdorf. Einer leisen Anmerkung Alecs nach war dies ein großes und ungewöhnlich wohlhabendes Dorf, dessen Reichtum wahrscheinlich durch Banditentum zu erklären war.
André wurde durch Ibrahim persönlich dem Dorfanführer und seinem Rat vorgestellt und speiste dann mit ihnen zu Abend. Während der Mahlzeit unterhielten sich die Männer freizügig und legten den Fremden in ihrer Mitte gegenüber nicht die geringste Feindseligkeit an den Tag. Doch später erzählte ihm Alec, dass die Männer dieses Dorfes völlig anders waren als die Männer in dem Dorf, das von seinem Freund Ibn al-Farouch regiert wurde. Hier gab es keine Spur von Humor, sagte er; alles war dort todlangweilig, und in jedem Satz schwang ein Unterton von Tragik und Leid mit. Niemand lachte, und während des gesamten Abendessens war nicht mal der Anflug eines Lächelns zu sehen.
Die drei Besucher schliefen in Decken gewickelt unter freiem Himmel, und bald nach Tagesanbruch waren sie weiter nach Norden unterwegs. Wie versprochen warf Ibrahim vor ihrem Aufbruch einen prüfenden Blick auf Andrés Erscheinung und zupfte hier und da an seinen Kleidern, während er ihm erklärte, warum.
Als der nächste Tag dämmerte, lag ihr Zusammentreffen mit Rashid al-Din, dem Alten Mann vom Berge, hinter ihnen und sie waren auf dem Heimweg, ohne sich daran zu stören, was beiläufige Beobachter wohl von den Einzelheiten ihrer Kleidung halten mochten.
Unter einem Himmel, den die untergehende Sonne in leuchtendes Gold und Orange tauchte, hatte André Alec zum vereinbarten Treffpunkt begleitet, war aber von einem Leibwächter mit erhobener Hand am Weitergehen gehindert worden. Damit hatten sie gerechnet, und Alec hatte ihm schon im
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