Die Brueder des Kreuzes
an.
»Ihr gebt für mich den Narren ab, oder? Sagt mir, Alec, dass das ein Scherz ist.«
Alec Sinclair zuckte mit den Achseln.
»Dann ist es eben ein Scherz. Ich dachte, es könnte Euch nicht schaden, einmal kurz etwas Schönes zu denken. Ein Narr kann wunderbar für Ablenkung sorgen. Außerdem dachte ich, Ihr würdet Euch vielleicht weniger um all diese Gelübde und Strafen und Schuldgefühle und Konsequenzen sorgen, wenn ich Euch zum Lachen bringe. Ich habe den Eindruck, dass Ihr ein wenig die Tatsache aus den Augen verloren habt, dass keiner von uns beiden ein Christ ist. Allmählich hört Ihr Euch an wie ein Sünder, dem die Priester auf den Fersen sind, während Ihr doch in Wirklichkeit zu den aufgeklärten Privilegierten des Ordens von Sion gehört. Genug von Eurem schlechten Gewissen, Vetter. Es ist bedeutungslos.«
»Ich hatte keine Schuldgefühle, Alec. Ich hatte eher an das Prinzip der Ehre gedacht, die sich hier in Luft aufzulösen scheint wie Feuchtigkeit, die auf einen flachen Stein in der Sonne tropft.«
»Ah, Ehre. Ein Goldstück, das immer wieder von Menschen vergoldet wird, die es noch verbessern wollen. Erzählt mir von der Ehre, André. Erzählt mir, wie oft sie Euch hier schon begegnet ist und wie oft … Hier, seht Euch das an.«
Alec griff in seine Gürteltasche und hielt eine Goldmünze hoch, die er dann hochwarf und mit der geballten Faust auffing.
»Dies ist ein goldener Bezant, der vom Münzenmacher des Sultans geprägt wurde. Ich verwette ihn darauf, dass Ihr auf Anhieb in der Armee, zu der wir gehören, keine zwanzig wirkliche Ehrenmänner aufzählen könnt. Eigentlich muss es ja in einer solchen Masse mehr als zwanzig geben, aber Ihr müsst mir ihre Namen sagen, und Ihr müsst sie persönlich kennen. Nun beginnt. Und passt auf, wohin Ihr tretet.«
Er machte kehrt und begann, den gewundenen Pfad hinabzusteigen. André folgte ihm nachdenklich.
»Eure Münze habt Ihr gewonnen«, sagte er, als sie sicher unten angelangt waren. »Ich habe angestrengt nachgedacht, und ich kann Euch sieben Männer nennen – acht, wenn ich Robert de Sablé mitzähle, und warum sollte ich das nicht tun? Drei von ihnen sind Templersergeanten, die nicht den geringsten Einfluss besitzen. Es ist eine Schande.«
»Es ist eine Schande, aber es ist nicht Eure Schuld. Eure Ehre gehört zu Euch, so wie die Eurer acht Männer zu ihnen gehört. Das ist ja das Wunderbare an der Ehre, Vetter. Sie existiert in uns und setzt jedem von uns seinen eigenen Maßstab und seine eigenen Grenzen. Man hört zwar oft von der Ehre der Truppe oder des Ordens, doch das ist der blanke Unsinn. Ein Ding kann keine Ehre besitzen. Nur ein Mensch kann das, und jeder muss mit seinem Ehrgefühl leben, wenn er den Punkt erreicht, an dem er sagt, bis hierhin und nicht weiter. Euer Maßstab mag nicht derselbe sein wie meiner, doch letztlich seid Ihr nur Euch selbst gegenüber verantwortlich, und Eure Ehre ist Eure Seele, so wie meine Ehre die meine ist.«
André St. Clair atmete tief durch.
»Also schön«, sagte er. »Was ist Euer nächster Vorschlag?«
»Ich schlage vor, dass wir die Höhle betreten und Ibrahim begrüßen. Er wartet gewiss schon auf uns. Sonst habe ich keine Vorschläge mehr.«
»Ich habe einen, aber nur diesen.«
»Und er lautet?«
»Dass wir nach Acre zurückkehren und mit der Armee nach Süden marschieren. Dies scheint mir das Vernünftigste zu sein. Unterwegs werden wir die Gelegenheit nutzen, unser Dilemma mit Bruder Justin zu besprechen und natürlich mit Großmeister de Sablé. Ich wollte Euch dies schon länger fragen – wisst Ihr zufällig, wie viele Mitglieder unserer Bruderschaft sich außer uns in Outremer aufhalten?«
»Nein, aber es muss mehr geben als nur uns.«
»So ist es auch. Ich würde sie auf mindestens vierzig schätzen, aber soweit ich weiß, gibt es kaum Zusammenkünfte, und das erscheint mir falsch. Ich werde also dem Großmeister vorschlagen, dass er einen Weg findet, innerhalb der Gemeinschaft der Templer eine besondere Kammer zu gründen, deren Zusammentreffen vor dem Rest der Mitbrüder geheim gehalten werden müssen. Was haltet Ihr von dieser Idee?«
Alec Sinclair nickte.
»Sie gefällt mir. Wir reiten nach Acre zurück, sprechen mit dem Großmeister, ziehen mit der Armee nach Jerusalem und rekonstituieren unterwegs die Bruderschaft. Das ist hervorragend. Nun wollen wir aber Ibrahim guten Tag sagen und seine Nachrichten entgegennehmen.«
Doch Ibrahim war nicht da. Er war da gewesen
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