Die Brueder des Kreuzes
bot einen herrlichen Anblick. Stolz und königlich stand sie da und ließ durch nichts darauf schließen, dass sie die Gattin eines Mannes sein könnte, über dessen mangelndes Interesse an Frauen überall gespottet wurde. André glaubte zu sehen, wie sie einen verstohlenen Blick auf einen gut aussehenden Leibwächter warf, der wachsam an ihrer Seite stand. Er sah sich den Mann genauer an und sah die aufrechte, herausfordernde Haltung, mit der er seine Ergebenheit gegenüber seiner Königin demonstrierte.
Belustigt, aber alles andere als überrascht ließ André seinen Blick zu Joanna wandern. Sie stand da, als wäre sie allein, obwohl sie doch von Menschen umringt war. Joanna Plantagenet war wirklich eine ebenso bemerkenswerte wie schöne Frau, dachte er. Es war unschwer zu sehen, dass auch sie einen Liebhaber hatte, doch diesmal konnte er nicht erraten, wer es war, wenn der Mann denn überhaupt anwesend war.
Es fiel ihm überraschend leicht, über seine eigenen Gedankengänge zu lächeln und sich damit abzufinden, dass er es hätte sein können, der in den Genuss ihrer Vorzüge kam. Mit einem letzten Blick auf ihre verführerische Gestalt beschloss er, den Rückweg in seine eigene Welt anzutreten.
Doch inmitten all seiner lüsternen Gedanken vergaß er, dass es noch jemanden gab, dessen Blicken er eigentlich ausweichen wollte, und bevor er von seinem Stein hinuntersteigen konnte, spürte er, wie sich die Augen des Königs auf ihn richteten.
Weil er sich in der Entfernung sicher fühlte, erwiderte André den Blick des Königs und fühlte sich gleichzeitig von Mut und von Grauen erfüllt, weil er seine Pflicht gegenüber diesem Mann, der einmal sein Held gewesen war, nicht mehr ernst nehmen konnte.
Es war Richard, der als Erster den Blick abwandte, und als André zu seinen Kameraden zurückkehrte, trug er das dumpfe Gefühl in sich, für immer ausgestoßen zu sein.
Sobald die Messen gelesen waren, brach allgemeine Hektik aus, weil die Zelte abgebrochen und zu Tausenden auf die Gepäckkarren verladen wurden. Die Belagerungsmaschinerie war schon seit Wochen in ihre Einzelteile zerlegt und bereit für den Abtransport nach Süden. Auch im Hafen herrschte reges Treiben, da ein Teil der Ausrüstung auf dem Seeweg nach Süden verschifft werden sollte.
Doch schließlich war alles verstaut, die Soldaten hatten sich in Formation aufgestellt, die letzten Zelte waren verladen und die Latrinen zugeschüttet, und zu den Klängen einer gewaltigen Fanfare setzten sich die ersten Reihen des Heeres in Bewegung und machten sich auf den Weg nach Jerusalem.
SIE MARSCHIERTEN in der Morgenkühle und mieden die Nachmittagssonne, und nach zwei ereignislosen Tagen, an denen sie keine zehn Meilen zurückgelegt hatten, traf André St. Clair endlich mit seinem Vetter zusammen. Er hatte beschlossen, sich von Alec fernzuhalten und lieber diesem die Initiative zu überlassen, denn in der Nähe der Templerzelte bestand stets die Gefahr, auf Richard zu treffen, und nach einer solchen Begegnung stand André nicht der Sinn. Er wusste einfach nicht, wie er reagieren würde, wenn er dem Mörder seines Vaters gegenüberstand.
So war es also Alec, der ihn aufsuchte. André saß allein vor seinem Zelt auf dem Boden und genoss es, einmal nicht von seiner Schwadron umgeben zu sein. Sein nächster Nachbar war fast sieben Meter von ihm entfernt – ein beachtlicher Grad an Freiraum inmitten einer Armee, die aus Zehntausenden von Männern bestand.
»Ich habe Wein mitgebracht«, sagte Alec anstelle einer Begrüßung. Er ließ den Schlauch in Andrés hastig ausgestreckte Hände fallen und sah sich dann überrascht um.
»Wo ist denn Eure Schwadron? Habt Ihr sie verloren?«
»Nein, aber ich konnte sie nicht mehr ertragen. Ich habe Le Sanglier gesagt, sie sollen Zielscheiben errichten und sich bis zum Abend mit Schießübungen beschäftigen. Es ist zwei Wochen her, seit sie zuletzt Gelegenheit dazu hatten, und es kommt mir mindestens doppelt so lange vor, dass ich zuletzt einen Moment für mich allein hatte, ohne von ihren Stimmen betäubt zu werden. Ob es einen Grund dafür gibt, dass Soldaten nicht leise reden können? Nun ja. Danke für den Wein. Ich frage lieber gar nicht danach, wo Ihr ihn gestohlen habt, sondern trinke lieber gleich auf Eure Gesundheit.«
Er zog den Stopfen aus dem Weinschlauch und trank in vollen Zügen daraus, bevor er ihn Alec anbot.
»Nun«, sagte er schließlich, »wir sind allein, also sagt mir, wohin wir gehen und was wir
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