Die Brueder des Kreuzes
um sich über das Land und das Klima, in dem sie kämpfen werden, Gedanken zu machen. Es besteht zum Großteil aus Wüste, so feindselig und brutal wie die Menschen, die darin leben, und unvorstellbar gefährlich für Fremde. Es ist ein Ort des Grauens, an dem sich ohne Vorwarnung ein Sandsturm erheben und ganz Dörfer begraben kann – manchmal sogar ganze Armeen . Diese Stürme können so heftig sein, dass sie einem die ungeschützte Haut von den Knochen reißen.«
Wieder holte Montdidier tief Luft.
»Doch schlimmer noch, es ist ein Ort voller Eiferer – tapfere, gnadenlose Krieger, die für die Lehren ihres Gottes und Seines Propheten Mohammed leben und atmen und mit Freuden in Seinen Diensten sterben. Diese Moslemkrieger – Sarazenen, Muselmanen, Araber, Beduinen, nennt sie, wie Ihr wollt – sind unsere besten Männern im Kampf überlegen, so gern wir das verleugnen möchten. Und sie sind den Franken zahlenmäßig so sehr überlegen, dass von unseren Männern nur einer von zwanzig überleben kann.«
Es folgte eine lange Pause. St. Clair dachte über das Gehörte nach, bis er schließlich fragend die Hand hob.
»Nicht, dass ich Euch nicht glaube, denn Ähnliches habe ich auch schon von anderen gehört. Doch die Zahlen, die Ihr anführt, sind unvorstellbar. Neunzehn von zwanzig Männern sterben? Wie kann denn eine Armee, und sei sie noch so gut ausgebildet oder fanatisch, ein solches Blutbad anrichten?«
»Geschosse«, knurrte Montdidier so schroff, dass St. Clair sich nicht sicher war, ob er richtig gehört hatte.
»Habt Ihr Geschosse gesagt?«
Montdidier sah ihn seelenruhig an.
»Aye, das habe ich gesagt. Geschosse … Pfeile, wenn Ihr es genau wissen wollt.«
»Bogenschützen haben das getan?«
Montdidiers Gesicht verzerrte sich vor Wut.
»Aye, so ist es. Bogenschützen. Sie haben uns mit Pfeilen abgeschlachtet. Sie haben es Pfeile regnen lassen wie Hagelkörner, unablässig und von allen Seiten gleichzeitig. Nachts haben sie auf unsere Pferde geschossen, weil sie wussten, dass ein Ritter in voller Rüstung zu Fuß hilflos ist. Pfeile, Master St. Clair. Sie haben sie benutzt, um uns zu demoralisieren, uns nervös zu machen und uns Angst einzujagen und uns zu vernichten, indem sie uns zu Verzweiflungstaten trieben, die wir ansonsten nie unternommen hätten. Und wir waren ihnen gegenüber vollkommen hilflos.«
»Ich weiß, und ich nehme Euch durchaus ernst. Auch davon habe ich schon gehört. Ich musste nur wieder daran denken, was für eine Dummheit das päpstliche Verbot von Pfeil und Bogen in der Christenwelt ist. Es ist uns in Hattin teuer zu stehen gekommen. Und doch … wenn ein Pfeil einmal abgeschossen wurde, ist er verloren, oder nicht? Er kann nicht noch einmal verwendet werden. Aber Ihr sprecht von einer gewaltigen Anzahl von Pfeilen. Das muss doch übertrieben sein.«
»Aye, so muss es jedem erscheinen, der nicht dabei gewesen ist. Ihr seid nicht der Erste, der das denkt und meine Worte in Zweifel zieht.«
Montdidier erhob sich von seinem Sitz und trat an die Reling. Dort stützte er beide Hände auf und starrte auf das Wasser hinaus, bis St. Clair schon dachte, er hätte nichts mehr zu sagen. Der Wellengang hatte weiter nachgelassen, und das Schiff bewegte sich jetzt weniger schlingernd und beinahe sanft. Der Himmel war fast wolkenlos, und die Spätnachmittagssonne war nicht mehr weit vom westlichen Horizont entfernt, der sich nun deutlich hinter Montdidier abzeichnete.
Doch Montdidier war noch nicht fertig. Er wandte sich zu St. Clair um und lehnte sich mit aufgestützten Ellbogen an die Reling.
»Habt Ihr schon einmal ein Kamel gesehen, Sir Henry?«
Henry nickte.
»Aye, beide Sorten – mit einem und mit zwei Höckern. Es gibt einen Mann, der jedes Jahr eine Sammlung merkwürdiger und wilder Tiere zum Mittsommermarkt in Poitiers mitbringt. Die Leute kommen in Massen und bezahlen viel Geld, um seine Tiere zu bestaunen.«
»Dann ist Euch also bekannt, dass das Kamel ein großes, kräftiges Lasttier ist, das über lange Zeiträume großes Gewicht tragen kann. Nun ist ein Pfeil mehr oder weniger gewichtslos, und selbst ein Köcher voller Pfeile – zwanzig oder mehr – wiegt so gut wie nichts im Vergleich zu einem Schwert oder einer Axt. Ich frage Euch also: Was glaubt Ihr, wie viele sorgsam gebündelte Pfeile kann ein voll beladenes Kamel wohl tragen?«
St. Clair schnaufte heftig aus.
»Ich habe keine Ahnung, doch ich entnehme dem Ton Eurer Frage, dass die Zahl wahrscheinlich
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