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Die Brueder des Kreuzes

Die Brueder des Kreuzes

Titel: Die Brueder des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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den Graben am Fuß der Woge raste, wo sich gigantische Wassermassen über das Deck ergossen und alles durchnässten, bevor sie wieder abflossen.
    Im Bauch des Schiffes arbeitete die Mannschaft mit aller Kraft daran, das Wasser im Frachtraum schneller abzupumpen als es nachlief, doch inzwischen war die Lage nicht mehr annähernd so gefährlich wie noch vor einer Stunde. Inmitten des Sturms, der ringsum getobt hatte und die Gischt zu undurchdringlichem Nebel verweht hatte, hätte er nicht hier stehen können. Die Wellen waren zwar nach wie vor hoch, doch sie waren jetzt glatt, und ihre Schaumkronen hoben und senkten sich gleichmäßig.
    »Der Sturm flaut ab. Eine Zeit lang dachte ich, wir schaffen es nicht.«
    Montdidier trat an seine Seite und streckte die Hand nach einem fest gespannten Tau aus, um auf dem schwankenden Deck nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    Inzwischen konnte man besser sehen, doch der tief hängende, bleierne Himmel versperrte immer noch die Sicht auf den Horizont, und die Trennungslinie zwischen See und Himmel verschwamm in der nebligen Ferne.
    »Aye, das Unwetter scheint vorüber zu sein, und ich muss zugeben, dass auch ich gedacht habe, wir würden alle sterben.«
    Er sah sich auf dem Deck um und lächelte ein angespanntes kleines Lächeln.
    »Aber jetzt musste ich nach oben, schon um meines Magens willen. Der Lärm und der Gestank nach Erbrochenem dort unten waren einfach überwältigend. Anscheinend sind wir beide die Einzigen an Bord, die nicht würgen und stöhnen und darauf hoffen zu s terben.«
    St. Clair ließ sein Tau los und setzte sich mit dem Rücken zur Bordwand auf den Boden.
    »Setzt Euch doch neben mich. Es ist nass und unangenehm, aber das scheint im Moment für die ganze Welt zu gelten. Der Sturm hat unser letztes Gespräch unterbrochen, gerade als es interessant wurde.«
    Montdidier ließ ebenfalls seinen Haltegriff los und setzte sich vorsichtig Schulter an Schulter mit St. Clair. Dieser stützte sich mit den Händen auf dem Deck ab und machte es sich stöhnend bequemer.
    »Ahh«, brummte er, »das ist … viel besser. Meine alten Knochen sind nicht mehr so gut gepolstert. Aber das bisschen Zwicken ist ein kleiner Preis dafür, hier im Freien zu sitzen und nicht von Übelkeit geplagt zu sein wie alle anderen. Glaubt Ihr, wir sind noch auf Kurs? Ich habe keinerlei Land erspäht.«
    »Nein, ich auch nicht, also habe ich mit dem Kapitän gesprochen. Er sagt, wir sind nach Westen in den Atlantik geweht worden und müssen jetzt zurückrudern, bis wir die Küste Englands sehen. Ich habe ihn gefragt, wie lange das wohl dauern wird, doch seine einzige Antwort war ein Schulterzucken. Es hängt vom Wind und vom Wetter ab, sagt er, irgendwo zwischen einer und drei Wochen.«
    »Mit anderen Worten müssen wir uns unserem Schicksal ergeben und uns gedulden.«
    St. Clair erschauerte und zog seinen nassen Umhang um sich.
    »Nun, was für ein Glück, dass wir so viel zu besprechen haben, Ihr und ich.«
    Wieder erschauerte er, und plötzlich schüttelte er sich, als hätte er einen Schlaganfall. Er begriff, dass er Gefahr lief, krank zu werden, wenn er sich seiner durchnässten Kleider nicht entledigte. Die jüngeren Männer in seiner Umgebung mochten eine Unterkühlung ja auf die leichte Schulter nehmen, doch er war zu alt für solche Strapazen. Mit einer Hand auf Montdidiers Schulter gestützt, zog er sich umständlich hoch – er wurde bereits steif.
    »Das hier ist verrückt«, sagte er. »Ich habe unten an meinem Schlafplatz frische, trockene Kleidung, und ich werde mich jetzt dieser nassen Fetzen entledigen und mir etwas Warmes anziehen. Ihr solltet das ebenfalls tun. Hier, nehmt meine Hand.«
    Der Hospitalritter ergriff Henrys Hand und erhob sich ohne Schwierigkeiten.
    »Ihr habt recht. Ich fühle mich, als würde ich schon mein Leben lang vor Nässe frieren, obwohl ich doch weiß, dass es erst seit gestern Abend ist.«
    Er hielt inne.
    »Aber erinnert mich doch bitte in Zukunft daran, dass ich nie wieder eine stürmische Nacht im stockfinsteren Frachtraum eines Schiffes verbringen will. Gehen wir also und trocknen uns ab, so gut es geht, und dann treffen wir uns hier in einer halben Stunde wieder.«
    Es war fast eine Stunde später, als St. Clair schließlich wieder an Deck kam, wo ihn der Hospitalritter schon erwartete. Endlich war ihm wieder warm, und der Anblick, der sich ihm bot, verbesserte seine Stimmung weiter. Die schwere Wolkendecke war aufgerissen, und inzwischen schien die

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