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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Mayfair-Hauses äußerst gut gewählt. Das behauptete jedenfalls Albies Freund aus Cambridge, ­Keynes, der Nationalökonom war. Der rücksichtslose Industrialismus und der effektivitätsheischende Viktorianismus hatten eine ganz neue Klasse von Neu­reichen hervorgebracht, die bereit waren, ungeheuer viel Geld für ein weißes Haus in Mayfair mit einem Wappen über der Tür zu bezahlen. London wurde von solchen Leuten förmlich überschwemmt. Deswegen erfreute sich Literatur über Etikette auch momentan größter Beliebtheit, als ließe sich die neureiche Mittelschicht zur Oberschicht erziehen.
    Sverre bemühte sich, Albies Vortrag andächtig anzuhören und keine Ungeduld über die vielen irrelevanten Details wie Benimmregeln erkennen zu lassen. Das war nun einmal eine amüsante Eigenheit Albies. Wenn es um Mechanik oder Philosophie und Kunst ging, konnte er sich durchaus präzise ausdrücken und direkt zum Kern der Sache vordringen. Aber sobald es um Finanzen ging, wurde er vage und weitschweifig.
    So auch jetzt, denn plötzlich kam er auch noch auf Margie zu sprechen. Der Beschluss zu verkaufen war Albie unter anderem dadurch erleichtert worden, dass Margie sich plötzlich in den Kopf gesetzt hatte, allein in dem Haus zu wohnen, allerdings mit ausreichend Personal. Dass sie in London studieren wollte, war eine Sache, gegen die ­Albie nichts einzuwenden hatte. Aber dass eine Studentin mit Butler, Küchenpersonal und Kammerzofe in sechsundzwanzig Zimmern wohnte, war grotesk und ein kompletter Anachronismus.
    Den durch den Verkauf erzielten Erlös konnten sie nun für eine umfassende Renovierung und Modernisierung Manninghams, für die Mechanisierung der Landwirtschaft und für neue Automobile, die die altertümlichen Pferdetransporte ersetzten, und Ähnliches verwenden.
    Margie verfügte außerdem über eine Leibrente, dank der sie, was auch immer geschehen mochte, versorgt war. Im Unterschied zu Pennie hatte sie es sich nicht zum Ziel gesetzt, schnellstmöglich standesgemäß zu heiraten. Dafür musste man Verständnis aufbringen. Falls Margie das Leben eines Dandys in London jenem einer Lady auf dem Land vorzog, so stand es Sverre und ihm nicht zu, etwas dagegen einzuwenden.
    Jetzt müsse Pennie nur noch verheiraten werden, fuhr Albie fort. Dann seien, soweit er es beurteilen könne, die meisten seiner verdammten Pflichten erfüllt. Um die Verwaltung des Guts Manningham brauche er sich dann nicht mehr zu kümmern, und es würde jährlich Gewinne statt Verluste einbringen. Dann würde man sich endlich wieder wichtigeren Dingen im Leben zuwenden können.
    Sverre fand, dass Albie die unbegreifliche, fast bizarre Neigung hatte, sich in finanzielle Probleme zu vertiefen, die eigentlich keine waren. Seiner eigenen Lebens­erfahrung nach, die von der Armut seiner Kindheit auf der Oste­røya und auch später geprägt war, gab es in dieser Hinsicht nur ein Problem, nämlich kein Geld zu haben. Wie gleich Albie und er auch sein mochten, wie ähnlich sie dachten, wie gleich ihre Fantasien und Träume auch aussahen, so lag dieser Abgrund zwischen ihnen.
    »Hörst du mir überhaupt zu? Ermüde ich dich mit diesen trivialen Dingen?«
    Albie hatte ihn ertappt. Er hatte in der Tat nicht mehr zugehört und war mit seinen Gedanken abgeschweift. Er gab es unumwunden zu.
    »Entschuldige, ich habe den Faden verloren, das stimmt. Du weißt ja, dass ich finde, dass du dir wegen dieser Dinge zu große Sorgen machst. Aber was du bislang gesagt hast, klingt alles sehr gut. Du wirst die Verantwortung für deine Schwestern los, und Manningham funktioniert von allein. Worin besteht dann eigentlich das Problem? Woher kommen diese Seelenqualen?«
    Albie wirkte zuerst etwas gekränkt, überlegte es sich dann aber anders und hob sein Glas.
    »Lass uns darauf anstoßen«, sagte er. »Ich vermute, dass ich mich eigentlich entschuldigen müsste, weil ich dir mit diesen Dingen in den Ohren liege, ich hätte bedeutend schneller auf meine gute Nachricht zu sprechen kommen können.«
    »Und die wäre?«
    »Ich habe uns ein neues Haus gekauft. In Bloomsbury.«
    »Ach ja? Wo ist denn das? Das erstaunt mich jetzt aber sehr, hast du mir doch eben ausführlich erläutert, wie klug es war, das Anwesen in Mayfair zu verkaufen. Und jetzt kaufst du also ein neues Haus?«
    »Immer mit der Ruhe. Es handelt sich um ein kleines dreistöckiges Gebäude am Gordon Square, das ein Zwanzigstel des Hauses in Mayfair kostet. Der Gordon Square liegt mitten in London

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