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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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zu erscheinen gelte als wenig kultiviert oder zumindest ein wenig übertrieben. Das könne man natürlich bei Neuankömmlingen oder Touristen durchgehen lassen. Als Reisekleidung passe hingegen ein Khakianzug mit Messer.
    Das Dinner verlief normal. Im Smoking verwandelte sich Lord Delamere, wenn man von seiner ungepflegten Frisur absah, in einen Gentleman. In diesen kurzen Stunden entsprach Afrika Pennies Erwartungen.
    Nach dem Essen, als sich die Herren in der Bar versammelten, wurde die Stimmung ausgelassener. Man trank Whisky und Bier, da Portwein in Afrika laut Lord Dela­mere verboten war. Während seine Laune besser wurde, erzählte er wilde und mehr oder weniger erstaunliche Geschichten von Löwenjagden, angreifenden Elefanten oder wie er einmal betrunken ins Norfolk Hotel hineingeritten war und die Tische im Restaurant zum Verdruss der Gäste als Hürden verwendet hatte. Alles war gut gegangen, bis der verdammte Gaul auf dem glatten Parkett ausgerutscht war.
    Afrika sei der Kontinent der großen Möglichkeiten, fuhr er dann etwas ernster fort. Man müsse nur geeignete Methoden finden, um dessen gewaltige, schlummernde Kräfte zu entfesseln. Seine bisherigen Versuche seien leider nicht von Erfolg gekrönt gewesen.
    Das war ärgerlich, da das afrikanische Vieh, Schafe wie auch Kühe, verglichen mit dem europäischen zwar zwergenhaft war, aber diese Kreaturen waren unglaublich zäh, weder Tsetsefliegen noch Trockenheit und Hitze konnten ihnen etwas anhaben, und sie überlebten auch noch auf vertrockneten Weiden, auf denen es scheinbar kein Futter mehr gab.
    Was lag also näher, als das Beste aus Afrika, die Zähigkeit, mit dem Besten aus Europa, der Fett- und Muskelmasse, kreuzen zu wollen? Vor einigen Jahren hatte Lord Delamere also 500 Merino-Mutterschafe aus Neuseeland importiert. Achtzig Prozent des Bestandes waren sofort gestorben. Anschließend hatte er es mit einer Herde Ryeland-Schafböcken versucht und diese mit 11 000 Massai-Mutterschafen gekreuzt. Das Ergebnis stand noch nicht fest. Eine andere Idee war gewesen, Strauße zu züchten. Dieses Jahr hatte er es mit Weizen versucht, aber die Ernte war von Rost vernichtet worden. Ärgerlicherweise war bei allen Unternehmungen auch ein wenig Glück vonnöten. Und um ehrlich zu sein: mehr Geld. Die Verwandtschaft in England unterstützte ihn nur noch mit mäßiger Begeisterung.
    Als Lord Delamere zu guter Letzt einsah, dass seine Litanei langatmig zu werden drohte, ging er rasch wieder zu seinen Jagdgeschichten über, was seine Zuhörer sichtlich aufmunterte und sie dazu veranlasste, noch mehr Whisky und Bier zu bestellen.
    Seit ein Löwe ihn beinahe getötet habe, hinke er …
    Es wurde spät. Die Hochzeit war erst für zwei Uhr nachmittags angesetzt.
    Die Zeremonie verzögerte sich um eine halbe Stunde, weil ein Nashorn erst auf den angrenzenden Golfplatz und dann in den Muthaiga Country Club einbrach, den Tisch mit dem Büfett umriss und sich in einem Barzelt verfing, das ihm die Sicht raubte. Daraufhin wurde es sehr angriffslustig und musste von dem fluchenden Lord Delamere, als es wieder auf den Golfplatz raste, erschossen werden. Zum großen Verdruss einiger Golf spielender Gentlemen brach es mitten auf einem Green zusammen. Ihre wenig kultivierten Flüche ließen vermuten, dass sie glaubten, Lord Delamere habe absichtlich dafür gesorgt, dass die Bestie den Zugang zum letzten Loch versperrte. Mit Seilen, Flaschenzügen und unterstützt von allen Kellnern und dem gesamten Küchenpersonal, wurde schließlich das Golfproblem gelöst, ehe man panisch dazu überging, das Hochzeitsbüfett wiederherzustellen.
    Die Zeremonie war kurz, aber exotisch. Gouverneur Sadler in weißer Generalsuniform und Tropenhelm vollzog höchstpersönlich die Trauung. Pennie trug ein üppiges weißes Brautkleid, das in den Augen der besseren Gesellschaft Nairobis möglicherweise etwas übertrieben wirkte.
    Gal, dem es noch zu verzeihen war, und Albie, Sverre und Arthur, denen es schon weniger zu verzeihen war, trugen im Gegensatz zu allen anderen Herren Jackett. Sie hatten keine andere Wahl gehabt. Die Leinenkleidung, die sie auf der Reise getragen hatten, war nicht mehr vorzeigbar. Albie und Sverre kamen sich ziemlich deplatziert vor, wie immer, wenn sie unpassend gekleidet waren, ganz gleichgültig, ob zu elegant oder zu leger. Ganz besonders jetzt, wo ein Großteil der kenianischen High Society, wobei es sich um etwa achtzig Personen handelte, versammelt war. Lord Delamere war

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