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Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Bundesstaat Mississippi. Da sind Sie nämlich gelandet, für den Fall, dass Sie sich verfahren haben sollten.«
    »Danke, aber ich glaube, ich kenne meinen Weg.«
    Der Alte runzelt die Stirn.
    »Sie glauben? Wohin woll’n Se denn?«
    Unsicher weist Maria mit dem Finger auf den Weg zwischen den Feldern. Das Gesicht des Mannes erhellt sich. »Ach, Sie wollen die alte Akima auf der Pflanzung Ol’ Man River besuchen? Das wird ihr gefallen. Jeder hier hält die für nicht ganz bei Trost, aber wenn Sie meine Meinung hören wollen, wählen die Leute einer wie der andere die Demokraten. Alle außer mir und ihr. Und bestimmt auch Sie. Oder irre ich mich?«
    »Mit Bezug worauf?«
    »Auf Sie.«
    »Nun ja … beim letzten Mal hab ich Kerry gewählt.«
    »Kein Mensch ist vollkommen, meine Dame. Solange Sie nichts mit den verdammten Kommunisten zu tun haben, soll es mir recht sein.«

    Maria schluckt.
    »Hör mal, Cayley, spiel nicht den Trottel. Ich weiß, dass du das bist.«
    Das Lächeln des Polizeibeamten ist verschwunden. Mit besorgtem Blick mustern seine blauen Augen sie über den Rand der Brille hinweg.
    »Mit Verlaub, aber wenn Sie mich weiterhin Cayley nennen, obwohl ich Sylvester Grant heiße, muss ich Sie einsperren, damit Sie sich ein bisschen beruhigen und wieder nüchtern werden. Meine Helena macht übrigens einen erstklassigen Eistee. Sie tut’ne Scheibe Limone und’ne Stange Zimt da rein und stellt das Ganze in die Gemüseschublade vom Kühlschrank. Dabei ist uns schon mehr als ein Kühlschrank draufgegangen, aber was will man machen, man kann sich nun mal nicht ändern. Soll ich Sie mitnehmen, damit Sie den Eistee selber probieren können?«
    Maria schüttelt den Kopf.
    »Wie Sie wollen. Dann also gute Weiterfahrt, und grüßen Sie die Alte von mir.«

2
    Die Stimme des Flugkapitäns kündet den Landeanflug auf den Flugplatz von Jackson in Mississippi an. Er erklärt, dass sie den Wirbelsturm zwar hinter sich haben, aber wegen der Scherwinde mit heftigen Bewegungen des Flugzeugs gerechnet werden muss. Walls schiebt die Jalousie an seinem Fenster hoch. Am Horizont leuchtet rot die Abendsonne. Er glaubt zu spüren, wie die Hitze gleich einem gewaltigen Spinnennetz über den überschwemmten Baumwoll- und Sojafeldern liegt. Er versucht, sich zu konzentrieren. Seine Erinnerungen sind verschwommen. Er muss sich eingestehen, dass er dabei ist zu vergessen, was
er in jenem uralten Höhlenheiligtum erlebt hat. Allmählich ähnelt die Erinnerung daran dem, was einem nach dem Aufwachen von Träumen im Gedächtnis bleibt: Erst sind die Bilder ganz frisch, verflüchtigen sich aber im Verlauf des Tages immer mehr.
    Nachdem er die Mesa hinter sich gelassen hatte, war er viele Stunden durch die große Sonora-Wüste gegangen, ohne Hunger oder Durst zu spüren. Es hatte Stunden gedauert, bis er unter der sengenden Sonne die ihm verloren gegangenen Bestandteile seiner Vergangenheit wiedergefunden hatte. Bisweilen war es ihm sogar so vorgekommen, als gehe sein Großvater neben ihm her.
    Als Erstes war ihm das Ende jenes Tages ins Gedächtnis gekommen, an dem ihn der alte Hüter der Flüsse zum Angeln mitgenommen hatte. Nachdem Gordon vom Wasser der Ströme getrunken und die Vision des toten Mädchens inmitten des Astgewirrs vor sich gesehen hatte, war es ihm so vorgekommen, als hätten sich die Farben verändert und seien reiner, kräftiger geworden. Nie war ihm die Wasserfläche des Flusses so schön erschienen, nie hatte ihn der leichte Schaum darauf so sehr an heiße Milch erinnert. Nie hatten die Bäume in seinen Augen ein so tiefes Grün gehabt. Auch der Geschmack der Dinge hatte sich verändert: die Luft, ein Glas Wasser, frisch aus der Leitung, Brot, Süßigkeiten, die Frühstücksflocken, alles schmeckte anders als zuvor. Danach waren noch beunruhigendere Dinge geschehen. Angefangen hatte das zwei Tage später, als er nach dem Aufwachen die Fensterläden in seinem Zimmer geöffnet hatte. Als Erstes war ihm etwas Machtvolles in der Ferne zu Bewusstsein gekommen, weniger ein Geräusch als eine Bewegung. Anfangs hatte er ange nommen, es sei der Wind in den Bäumen, aber die Luft war so still, dass sich nicht einmal die Blätter an den Bäumen bewegten. Während er hinhörte, war ihm aufgegangen, dass
es sich um Tausende flüsternder Stimmen handelte. Noch mehr hatte ihn beunruhigt, dass die Zahl der Stimmen, die an sein Ohr drangen, immer mehr zunahm, je stärker er sich konzentrierte. Es war, als verwandele sich sein Gehirn

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