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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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einmal und griff mit zorniger Geste nach dem zerknitterten Blatt. »
Wie erst gestern bekannt wurde, hat die erfolgreiche Talkmoderatorin Tessa Simon letzte Woche nach ihrer Sendung einen Schwächeanfall erlitten
«, las sie vor und knallte mit der Hand auf das Papier, als könne es etwas für den Inhalt. »Von wem haben die das?«
    Attila lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und prüfte die Maniküre seiner Nägel. »Mein Gott, du weißt doch, wie viele Leute in so einem Sender rumschwirren. Und wie gern da getratscht wird.« Er nickte mit dem Kinn in Richtung Zeitung. »Und außerdem. Morgen ist das alles Altpapier.«
    Tessa wusste, dass er Recht hatte, trotzdem musste sie weitermachen. »
Schon seit einigen Sendungen fällt auf, dass Tessa Simon manchmal unkonzentriert und fahrig ist«,
las sie
. »Vor zehn Monaten erst hat sie den kleinen Victor zur Welt gebracht. Und stets betont, dass sie Muttersein und Karriere unter einen Hut bringen will. Hat sie sich damit überfordert? Eine gute Freundin von Tessa Simon sagt: Ich bewundere sehr, wie Tessa versucht, das alles hinzubekommen. Aber vielleicht wäre es doch klüger gewesen, wenn sie sich nach der Geburt eine längere Auszeit gegönnt hätte
.« Jetzt erst ließ Tessa das Blatt endgültig zu Boden fallen. »Ich habe keine
gute Freundin

    Attila verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln. »Aber vielleicht einen guten Freund? Meinst du nicht, dass Ben ziemlich enttäuscht war neulich?«
    Victor krabbelte wild auf dem Teppichboden herum, er würde sich beide Hände wund scheuern, wenn er nicht langsamer machte.
    »Was willst du damit sagen?« Tessa musterte Attila aus schmalen Augen.
    Der zuckte nur die Schultern. »Ich verstehe ja nicht, warum du ihn ausgelassen hast. Nachdem ich euch so schön zusammengebracht hatte. Ich bin sicher, ein bisschen Abwechslung würde dir gut tun.«
    Tessa schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
Sie musste sich verhört haben. Attila hatte ihr eben nicht wirklich zu verstehen gegeben, dass sie seiner Ansicht nach mal wieder einen ordentlichen Fick brauchte. Nicht Attila. Der sie entdeckt und aufgebaut hatte. Der mit ihr durch dick und dünn ging. Der Taufpate ihres Kindes
.
    Victor hatte sich einen Zipfel der Zeitung in den Mund gesteckt und kaute versonnen darauf herum.
    »Lass das!«
    Tessa bückte sich, riss ihm die Zeitung weg, mit zwei Fingern klaubte sie die feuchten Fetzen aus seinem Mund. Zu ihrem Erstaunen begann er nicht zu plärren. Irgendetwas schien ihren Sohn grundheiter zu stimmen an diesem Vormittag.
    »Ben war das nicht. Das glaube ich nicht.«
    Sie drehte das zerkaute Papier zu einer Kugel.
War Druckerschwärze nicht giftig? Unsinn. Ganze Generationen hatten ihren Fisch in Zeitung eingewickelt
. Sie schnippte die Kugel in den großen Leder-Papierkorb.
    »Vielleicht war es deine reizende Schwester?«, schlug Attila vor.
    Tessa schaute aus dem Fenster. Zwei Stadttauben beharkten sich auf dem Ast, der langsam grün wurde. Der Gedanke, dass Feli hinter der Geschichte stecken könnte, war ihr auch schon gekommen. Es wunderte sie, dass weder Sebastian noch ihre Schwester sie angerufen hatten. Wahrscheinlich gab es in dem merkwürdigen Hotel, in dem sie untergebracht waren, keine Zeitungen. Wahrscheinlich hatten sie die Schlagzeile einfach noch nicht gesehen. Sie wollten heute auf irgendeiner Alm drehen.
    Tessa hatte nicht gemerkt, dass Attila vom Schreibtisch aufgestanden war. Er ging zu dem gläsernen Couchtisch und griff in die Schale mit den Sonnenblumenkernen, die dort immer stand. Trotz allem musste sie lächeln. Sie kannte ihn so gut. Seine Angewohnheiten. Seine Macken. Gleich würde er die rechte Hand an den Mund führen, die schwarz-weißen Schalen hineinspucken, sie von der Rechten in die Linke wandern lassen und in den Papierkorb werfen.
    »Es kann sein, dass unsere Sendung im Sommer eingestellt wird.«
    Tessa starrte auf den Mund, vor den sich in diesem Moment die Hand legte. Als wolle sie zurücknehmen, was er gesagt hatte.
    »Das ist nicht wahr.« Tessas Stimme klang vollkommen ruhig. Weil das, was Attila eben gesagt hatte,
nicht wahr sein konnte
.
    Victor krabbelte noch immer mit Lichtgeschwindigkeit über den Teppich. Ein kleiner roter Komet. Außer Kontrolle.
    Alle Härchen an Tessas Körper richteten sich auf, als Attila den nächsten Kern knackte. »
Auf der Couch
ist doch genauso mein Baby wie deins«, sagte er. »Aber ich brauche dir nicht zu erzählen, wie die Quoten in letzter Zeit

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