Die Buchmagier: Roman (German Edition)
aufzufangen. Doch sie wirbelte herum, und etwas traf mich zischend am Hals.
»Entschuldige, Isaac.« Deb wich zurück, in der Hand ein Hightech-Hypospray.
Lena ging zwischen uns und schlug ihr das Hypospray aus den Fingern. Mit der andern Hand packte sie Deb an der Jacke und knallte sie gegen die Regale, so fest, dass Bücher auf den Boden fielen.
»Sachte mit der Bibliothek!«, protestierte ich. Wärme breitete sich von meinem Hals nach unten in meine Brust aus, aber aus irgendeinem Grund war ich nicht verärgert. »Was war das für ein Zeug?«
»Wahrheitsserum.« Deb rührte sich nicht. Das hätte ich auch nicht, so sauer, wie Lena aussah. »Ich habe darüber in deinen Berichten gelesen. Bujold, glaube ich.«
Das würde meine gelassene Reaktion erklären. Bujold schrieb gute Wahrheitsdrogen. »Du solltest die ganze Reihe lesen. Ich werde dir Raumschiffe und Aliens schon noch schmackhaft machen.«
»Ist die Droge gefährlich?«, erkundigte sich Lena.
»Ach was!« Ich schüttelte den Kopf. »Solange ich nicht allergisch bin. Sie bewirkt bloß, dass der Empfänger sich zufrieden, hilfsbereit und ungehemmt fühlt. Und warm.« Um die Wahrheit zu sagen: So entspannt war ich seit dem Angriff nicht mehr gewesen. Ich drohte Deb mit dem Finger. »Drei Vampire haben versucht, mich umzubringen, und du machst dir Sorgen, dass ich der Böse bin?«
»Du bist ein Exlibriomant, aus dem Außendienst gerissen und ans Ende der Welt verbannt«, entgegnete Deb. »Unter Missachtung der Pförtner-Regeln hältst du dir ein magisches Haustier, und jetzt hast du dir eine Dryadenleibwächterin zugelegt. Was würdest du da denken, Schätzchen?«
»Ich musste Klecks behalten. Wie steckt man eine Spinne in ein Buch zurück, wenn die Spinne das Buch in Brand setzen kann?« Wichtiger noch: Klecks seinem Buch zurückzugeben würde ihn wieder in magische Energie auflösen und dadurch im Grunde genommen umbringen.
Mit einem Neigen des Kopfes erkannte sie das Argument an. »Weißt du, wo sich Johannes Gutenberg befindet?«
»Nö.« Ich grinste hämisch. »Mir sind allerdings Gerüchte zu Ohren gekommen, dass er vermisst wird.«
»Bist du jetzt zufrieden?«, fragte Lena herrisch.
»Ich werde zufrieden sein, sobald ich diejenigen in die Finger kriege, die meine Freunde umbringen«, giftete Deb zurück. »Ich bin mit einem anderen Pförtner zur MSU-Bibliothek gegangen. Der Ort lag in Trümmern, als hätte jemand die Mauern mit roher Gewalt niedergerissen. Ein Schaden, wie ihn ein Automat angerichtet haben könnte.«
Und niemand außer Gutenberg konnte einem Automaten befehlen, etwas Derartiges zu tun. »Das ist doch verrückt! Wieso sollte er sein eigenes Archiv angreifen?«
»Hol mich der Teufel, wenn ich das weiß! Pallas ist einer Meinung mit dir. Sie glaubt, es könnte auch von einem Pförtner verursacht worden sein, dem es nicht gelungen ist, seine Magie zu kontrollieren.« Sie warf mir einen spitzen Blick zu. »Als du gestern Nachmittag gegen diese Vampire gekämpft hast, hattest du da irgendwelche Schwierigkeiten?«
»Du meinst, habe ich die Kontrolle verloren und das halbe Gebäude in die Luft gejagt?« Ich schüttelte den Kopf. »Diesmal nicht.«
Eine Motte flog gegen die Glasschiebetür, angelockt vom Licht. Deb blickte einige Augenblicke forschend hinaus in die Dunkelheit, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich richtete. Die Finger ihrer rechten Hand zappelten an ihrem Bein herum. »Wenn jemand rekrutieren würde, wärst du die perfekte Wahl. Gekränkt, erpicht darauf, wieder ins Spiel zu kommen …«
»Na klar doch«, sagte ich unbeschwert. »Und ich habe auch Zugang zur Pförtner-Datenbank. Aber Gekränktheit lässt mich nicht gleich in einen soziopathischen Blutrausch verfallen.« Ich seufzte. »Du und ich, wir wissen beide, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben.«
Ich hätte es ohne die Droge nicht zugeben können, aber Doktor Shah hatte richtig gehandelt, als sie empfohlen hatte, mich aus dem Außendienst zu nehmen, und Pallas hatte recht damit gehabt, dieser Empfehlung zu folgen. Wut und Verbitterung empfand ich in Hülle und Fülle, doch der Großteil dieser Gefühle war gegen mich selbst gerichtet.
»Was ist vorgefallen?«, fragte Lena leise.
»Ich habe gegen die Regeln verstoßen.« Meine Brust fühlte sich an, als hätte sie jemand mit einem Eisportionierer ausgehöhlt. »Ich investierte meine Zeit im Außendienst, weil ich hoffte, mir eine Forschungsstelle zu verdienen. Ich war hinter einer
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