Die Buchmagier: Roman (German Edition)
verstehe.« Später würde ich wahrscheinlich sauer sein, aber im Moment scherte es mich nicht. »Nur so aus Neugierde, was hattest du vor zu tun, wenn sich herausgestellt hätte, dass ich tatsächlich für die bösen Jungs arbeite?« Ich linste nach ihrer Jacke und versuchte zu erkennen, welche Bücher sie darunter versteckt haben mochte.
Sie klopfte mir auf die Schulter. »Sei dankbar, dass du es nie erfahren wirst!« Plötzlich straffte sie sich, und ihre Aufmerksamkeit konzentrierte sich an mir vorbei auf eine gelbe Grille von der Größe einer kleinen Büroklammer, die aus der Küche ins Zimmer gesprungen kam.
Ich bückte mich, um die Grille zu packen, aber sie hüpfte weg. »Die sind für Klecks. Ich bewahre sie im Büro in einem Schuhkarton mit Löchern auf, aber gelegentlich stiehlt sich eine raus.«
»Klar«, sagte Deb mit angespannten Muskeln. Sie verfolgte die Bewegung der Grille, als diese sich unter eines der Bücherregale zurückzog. »Ich brauche Hilfe, Isaac. Jemanden, dem ich vertrauen kann. Hiermit weise ich dich offiziell wieder dem Außendienst zu.«
Die Worte waren ein unerwarteter Schlag in die Magengrube, die mein von Drogen hervorgerufenes Hoch zerschmetterten und mir den Atem aus der Lunge quetschten. Hoffnung, Furcht und Erregung fochten es in meinem Brustkorb untereinander aus. Unter normalen Umständen konnten nur die Regionalen Meister jemanden neu zuordnen, aber jetzt, wo Gutenberg fort war und die Pförtner sich im Krisenzustand befanden, fiel dies durchaus unter die Ausnahmebefugnisse einer Außendienstmitarbeiterin. Wenn auch nur gerade so. »Was ist mit Lena?«
»Hm?« Mühsam konzentrierte Deb sich wieder auf uns beide. »Ich kann offiziell nichts für sie tun, aber ihr beide habt insgesamt vier Vampire ausgeschaltet. Mir genügt das. Wenn du dich für sie verbürgst, will ich sie auch dabeihaben.«
So unbehaglich mir auch bei der Arbeit im Außendienst zumute war – dies vermochte mich vielleicht wieder auf den Weg zur Zauberforschung zu bringen. Mit einem einfachen Satz hatte Deb einen Traum wieder aufleben lassen, der seit zwei Jahren tot war. Pallas würde alles absegnen müssen, aber wenn wir diesen Angriffen auf die Pförtner ein Ende bereiten konnten, wie konnte sie da Nein sagen?
Falls ich mit die Konzentration erhalten konnte, falls ich diesmal nicht die Kontrolle über meine Zauberei verlor.
Ich zog Deb an mich und umarmte sie. Ihr überraschter Protest ging in Gelächter über, und grinsend schob sie mich weg.
»Ich bin sofort wieder da!«, sagte ich, während ich mir die Schläfen massierte. »Ich nehme nur schnell was gegen dieses Kopfweh, und dann können wir hier weg!«
Ich hastete ins Büro zurück. Was immer ihre Droge mit mir angestellt hatte, es wurde definitiv schlimmer. Das Licht schickte Nadeln in mein Hirn, und jeder Pulsschlag war eine kleine Explosion hinter meiner Stirn. Ich schnappte mir eine Ausgab von Homers Odyssee und blätterte zum zehnten Gesang vor, wo Odysseus sich mit seinem Urgroßvater Hermes unterhielt.
»Da bist du ja!«, murmelte ich, während ich den Text überflog. Dennoch gelingt es ihr nicht, dich umzuschaffen; die Tugend dieser heilsamen Pflanze verhindert sie .
Das Kraut wurde Moly genannt, beschrieben als ›ein Talisman gegen jede Art von Unheil‹. Ich hatte einmal eine Abhandlung über seine aufhebende Wirkung gegenüber Zauberei verfasst. Bedauerlicherweise hatte bisher noch niemand einen Weg gefunden, diese Wirkung zu konservieren. Das Kraut zu trocknen hatte nur zur Folge, dass man anschließend ein ziemlich stechend riechendes und magisch nutzloses Allerlei besaß. Aber wenn ich mir eine Stellung in der Forschung zu verdienen vermochte, könnte ich alternative Methoden der Konservierung untersuchen, die Pflanze möglicherweise pressen und gefriertrocknen oder sie in einer Glyzerinlösung einweichen …
Ich überprüfte die Seiten, um sicherzugehen, dass sie frei von Verkohlungen waren. Aufregung und Schmerz störten meine Konzentration. Es dauerte fast eine Minute, bis ich endlich in das Buch hineingelangt und das Kraut ergriffen hatte; eine kleine Pflanze mit schwarzen Wurzeln und runder Blüte, deren fünf Blütenblätter so weiß waren, dass sie wie gebleicht aussahen.
Als ich das Gewächs in der Hand hielt, ließ das Pochen in meinem Schädel nach, und ich bekam allmählich wieder einen klaren Kopf. Die Blütenblätter welkten, als die Zauberkraft des Molys Debs Droge bekämpfte. Ich blinzelte und rieb mir die
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