Die Buchmagier: Roman (German Edition)
der Wagon hatte mich überrollt und sechs Stationen weit mitgeschleift, ehe er mich gegen einen Puffer geschleudert hatte. Die Auswirkungen waren nach zwei Jahren Abwesenheit schlimmer als früher: Mein Körper war nicht mehr daran gewöhnt, diese Art von Energie zu kanalisieren.
Zwei Jahre hinter einem Schreibtisch. Magie katalogisieren, ohne sie je berühren zu dürfen. Die Erlösung aus zwei Jahren Fegefeuer in Form eines kleinen Satzes!
Ich griff nach dem Bügel. Zu meinem großen Verdruss zitterte mir die Hand – eine weitere Nachwirkung des Zusammenwirkens von Zauberei und Adrenalin. Der Staubmantel war schwer, gefüttert mit einem Polyäthylenfasergewebe, das kleinkalibrige Kugeln aufhalten oder eine Klinge ablenken konnte. Er bewährte sich auch ziemlich gut gegen Zombiepferde.
Ich hatte eigene Taschen ins Futter genäht; sorgsam ausgemessen und so positioniert, dass sie die meisten amerikanischen Buchformate aufzunehmen vermochten. Zwei Konstellationen schwarzer Punkte markierten die ledernen Schulterpolster, auf denen Klecks in der Vergangenheit geritten war. Ich zog mir das schwere Teil über und bürstete den Staub von den Ärmeln. Der Mantel roch immer noch ganz leicht nach Rauch.
»Steht dir gut«, kommentierte Lena.
Es fühlte sich auch gut an. Vertraut. Er beschwor die Erinnerung an Hoffnung herauf.
Ich begab mich erneut in die Bibliothek, um mich einzudecken; ein Ritual, an das sich mein Körper selbst nach so langer Zeit gut erinnerte. Automatisch bewegten sich meine Hände, um die Bücher aus den Regalen zu ziehen: Heinlein, Malory, L. Frank Baum, Le Guin, ein altes James-Bond-Abenteuer. Die Buchrücken waren abgenutzt, und die Seiten fielen von alleine bei den Szenen auf, die ich am meisten benutzt hatte. Ich schlang Gummibänder vertikal in die Bücher, um schneller auf die Seiten zugreifen zu können, die ich vielleicht brauchen würde.
Alles in allem hatte ich sechzehn Titel eingepackt, als ich fertig war, darunter auch einen Festeinband vor der Brust, der dem Herz ein bisschen Extraschutz bieten sollte.
»Was ist mit Deb?«, fragte Lena leise. »Solltest du den Pförtnern nicht Bescheid geben?«
»Sie ist nicht völlig umgedreht!«, protestierte ich schwach. Deb hatte versucht, mich zu rekrutieren. Wieso sollte sie sich diese Mühe machen, wenn nicht etwas von unserer Freundschaft noch übrig war? Als das nicht klappte, hatte sie allerdings auch versucht, Löcher in mich zu schießen.
»Woher weißt du das?«
»Jemand kann Magie wirken oder magisch sein, aber nicht beides. Wenn Debs Transformation weitergeht, wird sie die Fähigkeit verlieren, Libriomantik auszuführen.« Der Preis der Transformation musste ihr bewusst sein. Kein Libriomant würde aus freien Stücken seine Zauberkraft opfern.
»Wir könnten ihr folgen. Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, sie zu retten …«
Ich schüttelte den Kopf. Deb war keine Drogenabhängige, die in den Entzug gehen und anschließend ihr Leben zurückhaben konnte. Diese Art von magischer Transformation war irreversibel. Ich wollte sie nicht anzeigen, aber ich hatte keine Wahl. Angesichts ihrer Zugangsmöglichkeiten zu den Pförtnern war der Schaden, den sie anzurichten vermochte, einfach zu groß.
Ich drehte mich weg und nahm das Telefon zur Hand. Pallas ging nicht dran, also hinterließ ich eine kurze Mailbox-Nachricht, um sie wissen zu lassen, dass unsere Freundin Deb ›von einem Konkurrenzunternehmen abgeworben‹ worden war.
»Was werden sie mit ihr anstellen?«, fragte Lena.
»So wie ich Pallas kenne, wird sie jemanden beauftragen, sie zu jagen und zu vernichten. Das Ding zu vernichten, das aus ihr geworden ist, meine ich.« Meine Worte klangen kühl. Mechanisch. Deb war bereits verloren. Das zu wissen, linderte die Schuldgefühle; ihr Todesurteil unterschrieben zu haben, nicht.
»Sie töten sie für etwas, was jemand anderes ihr angetan hat?«
»Deb war in dem Moment tot, als sich was weiß ich für ein Insektenfresser in ihren Verstand geschlängelt hat.«
»Isaac, sie ist ein Opfer!«
»Das weiß ich.« Genau wie Nidhi Shah. Wenn Shah noch lebte, müssten die Pförtner sie dann auch vernichten? Ich knallte den Hörer wieder auf die Gabel. »Es tut mir leid, Lena.«
Sie blickte durch die zerbrochene Tür, ohne mir eine Antwort zu geben.
»Selbstverständlich ist Deb eine Agentin von Die Zwelf Portenære, bis Pallas etwas anderes sagt. Und darum bin ich verpflichtet, ihren Anweisungen Folge zu leisten.«
Lena hob die
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