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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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aber auch ein Leser von
    außergewöhnlichem Feingefühl, und sehen wir uns an, wie
    seine Lektüre des Paradiso ein Musterbeispiel an innerer Zerrissenheit ist – hier sage ich es, hier leugne ich es –, in stetem Wechsel zwischen Begeisterung und Befremden.

    1 Artikel für die Tageszeitung La Repubblica vom 6. September 2000 als Beitrag zur Siebenhundertjahrfeier der Divina Commedia .
    [Weil Dante seine Jenseitsreise, wie er zu Beginn sagt, in der
    »Mitte seines Lebens« gemacht hat, das heißt nach traditionellem Verständnis in seinem fünfunddreißigsten Lebensjahr, also 1300, wurde das Jahr 2000 in Italien als das settecentenario der Divina Commedia gefeiert. A. d. Ü.]
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    Als aufmerksamer Leser bemerkt De Sanctis sofort, daß
    Dante im Paradiso von Unsagbarem sprechen muß,
    nämlich von einem Reich des Geistes, und daß er somit
    vor der Frage steht, wie dieses Reich »zur Darstellung
    gebracht werden kann«. Infolgedessen habe Dante – so De
    Sanctis –, um das Paradiso künstlerisch zu gestalten, ein menschliches Paradies ersonnen, das dem Verstand und
    der Vorstellung zugänglich sei. Deshalb versuche er, in
    der Metapher des Lichts den Anknüpfungspunkt für
    unsere menschlichen Verstehensmöglichkeiten zu finden.
    Und hier nun wird De Sanctis zum passionierten Leser
    dieser Dichtung, in der es keine qualitativen Unterschiede,
    sondern nur solche der Intensität des Lichtes gebe, und
    zitiert Scharen von Glanzlichtern, schimmernde Wolken,
    »klar wie sonnenbestrahlte Diamanten«, selige Geister, die
    erscheinen »wie ein Bienenschwarm, der Blüten um-
    schwirrt«, Flüsse, aus denen Funken sprühen, Lichter in
    Form von gleißenden Strömen zwischen zwei Ufern,
    Selige, die im Dämmer verschwinden »wie etwas
    Schweres im tiefen Wasser«. Und er notiert, daß, als der
    Apostel Petrus sich über Papst Bonifaz VIII. erbost (wobei
    er Rom in Begriffen darstellt, die eher an die Hölle
    erinnern: »aus meiner Grabesstätte machte er einen Pfuhl /
    des Blutes und Gestanks«), der ganze Himmel seine
    Empörung ausdrückt, indem er sich rot verfärbt.
    Aber genügt eine Verfärbung, um menschliche Leiden-
    schaften auszudrücken? Hier zeigt sich De Sanctis als
    Gefangener seiner eigenen Poetik: »In diesem Strudel von
    Bewegungen verschwindet die Persönlichkeit … es gibt
    keinen Unterschied der Gestalten mehr, sondern gleichsam
    nur noch ein einziges Gesicht … Dieses Verschwinden der
    Formen und der Persönlichkeit selbst reduziert das
    Paradiso auf eine einzige Saite, wenn nicht die Erde in es eindringen würde und mit der Erde andere Formen und
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    Leidenschaften … Die Gesänge der Seligen sind inhalts-
    leer, bloße Stimmen und keine Worte, bloße Musik und
    keine Dichtung … Alles ist nur ein einziges Wallen von
    Licht … die Individualität verschwindet im Meer des
    Seins.« Ein unverzeihlicher Mangel, wenn Dichtung der
    Ausdruck menschlicher Leidenschaften ist und mensch-
    liche Leidenschaft nicht anders als fleischlich sein kann –
    siehe Paolo und Francesca, die sich am ganzen Leibe
    zitternd auf den Mund küssen, oder den Horror des
    »grausigen Mahls«, oder den Verdammten, der Gott das
    obszöne Fingerzeichen der Feige macht.
    Der ganze Widerspruch, in dem sich De Sanctis
    verfängt, kommt aus zwei Mißverständnissen: erstens, daß
    der Versuch, das Göttliche allein durch Intensität von
    Licht und Farbe darzustellen, eine zwar originelle, aber
    fast unmögliche Anstrengung Dantes sei, um zu
    vermenschlichen, was für Menschen nicht faßbar ist; und
    zweitens, daß es Dichtung nur in der Darstellung von
    Leidenschaften des Fleisches und Herzens geben könne
    und daß eine Dichtung des reinen Verstandes oder gar
    Intellekts nicht möglich sei, da sie in bloßer Musik enden
    würde. (Hier ließe sich trefflich nicht über den guten De
    Sanctis, wohl aber den Desanctismus seiner Nach-
    schwätzer spotten, die so gern versichern, daß Bach keine
    Poesie sei, Chopin dagegen zum Glück schon eher, daß es
    im Wohltemperierten Klavier und in den Goldberg-
    Variationen nicht um irdische Liebe gehe, während das
    Regentropfenprélude an George Sand und an die drohende
    Schwindsucht denken lasse, und das, potztausend, ist
    wahre Poesie, denn es macht uns weinen.)
    Kommen wir zum ersten Mißverständnis. Kino und
    Computerspiele legen uns nahe, an das Mittelalter als eine
    Abfolge von »dunklen« Jahrhunderten zu denken, dunkel
    nicht im ideologischen Sinne (der dem Kino egal

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