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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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schönsten
    Aufsätze über das Paradiso , die ich kenne ( Aspetti dellapoesia di Dante von Giovanni Getto, 1947), macht deutlich, daß es kein Bild vom Paradies gab, das nicht
    einer Tradition entsprang, die für den mittelalterlichen
    Leser zur Grundausstattung nicht bloß seiner Ideen,
    sondern mehr noch seiner alltäglichen Phantasien und
    Gefühle gehörte. Es ist die Tradition der Bibel und der
    Kirchenväter, aus der diese Licht- und Glanzbilder
    kommen, diese Flammenstrudel, diese himmlischen
    Leuchten und Sonnen, diese strahlenden Klarheiten, die
    sich erheben »wie ein sich erhellender Horizont«, diese
    candide rose und fiori rubiconde . Wie Getto schrieb:
    »Dante sah sich vor einer Sprechweise oder eher schon
    Sprache, die bereits fertig ausgebildet war, um die Realität
    des Geisteslebens auszudrücken, die mysteriöse Erfahrung
    der Seele in ihrer Katharsis, das Leben der Anmut und
    Gnade als überraschende Freude, als Präludium einer
    freudvollen und heiligen Jahreszeit.« Für den mittel-
    alterlichen Menschen war das Lesen über all diese Lichter
    so wie für uns das Phantasieren über die biegsame Anmut
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    einer Diva, die elegante Stromlinienform eines Auto-
    mobils, über Liebesgeschichten verlorener Liebender,
    kurze Begegnungen, tote Blätter, regnende Rosen,
    Erdbeerfelder, Lily Marleen oder Lovely Rita, aber mit
    einer Intensität der Leidenschaft und seelischen Schauern,
    die uns unbekannt sind. Alles andere als Lehrgedicht, alles
    andere als Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Lehrer und
    Schüler!
    Womit wir zum zweiten Mißverständnis kommen,
    nämlich daß es keine Verstandesdichtung geben könne,
    die in der Lage wäre, uns nicht nur über den Kuß von
    Paolo und Francesca erschauern zu lassen, sondern auch
    über die Architektur der Himmel, die Natur der
    Dreieinigkeit, die Definition des Glaubens als Substanz
    des Erhofften und Beweis des Unsichtbaren. Gerade dieser
    Anspruch auf eine Dichtung des Intellekts kann das
    Paradiso auch für den modernen Leser faszinierend
    machen, der die dem mittelalterlichen vertrauten Bezugs-
    rahmen verloren hat. Denn in der Zwischenzeit hat dieser
    Leser die Gedichte von John Donne, von Eliot, von Valéry
    oder Borges kennengelernt und weiß, daß Dichtung auch
    metaphysische Leidenschaft sein kann.
    Und apropos Borges, von wem hatte er die Idee des
    Aleph, jenes schicksalhaften Punktes, von dem aus man
    alles sehen kann, was es im Universum gibt, das bewegte
    Meer, die Morgen- und Abendröte, die Menschenmassen
    Amerikas, ein silbriges Spinnennetz inmitten einer
    schwarzen Pyramide, ein aufgebrochenes Labyrinth, das
    einst London war, eine Passage der Calle Soler mit den
    gleichen Fliesen, wie sie vor dreißig Jahren im Flur eines
    Hauses an der Calle Frey Bentos lagen, und Weintrauben,
    Schnee, Tabak, Metalladern, Wasserdampf, aufgewölbte
    Wüsten am Äquator, in Inverness eine unvergeßliche Frau,
    in einem Landhaus in Adrogué ein Exemplar der ersten
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    englischen Plinius-Übersetzung, gleichzeitig alle Buch-
    staben auf allen Seiten, einen Sonnenuntergang in
    Querétaro, der die Farbe einer Rose in Bengalen
    widerzustrahlen scheint, einen Erdglobus zwischen zwei
    Spiegeln, die ihn endlos vervielfältigen in einem Kabinett
    von Alkmaar, einen Strand am Kaspischen Meer in der
    Morgenfrühe, ein spanisches Kartenspiel in einem Schau-
    fenster in Mirzapur, Dampfkolben, Bisons, Sturzfluten,
    alle Ameisen, die es auf der Erde gibt, ein persisches
    Astrolabium, die schaurigen Überreste der einst so lieb-
    lichen Beatriz Viterbo usw. usf.? Das erste Aleph ist jenes
    im letzten Gesang des Paradiso , als Dante sieht, legato con amore in un volume / ciò che per l’universo si
    squaderna, / sustanze e accidenti e lor costume / quasi
    conflati insieme (»in einem Band mit Liebe eingebunden /
    all das, was sonst im Weltall sich entfaltet, / Substanz und
    Akzidenz und ihr Verhalten / gleichsam in eins ver-
    schmolzen«). Indem er sich la forma universal di questo
    nodo (»die Grundform dieses Knotens«) klarmacht und
    mit »hochgespanntem Geist« und »knapper Sprache«
    beschreibt, sieht Dante in jener »klaren Subsistenz« drei
    Kreise in drei Farben, und nicht wie Borges die schaurigen
    Reste der Beatriz Viterbo, denn seine Beatrice, die vor
    langer Zeit zu einem schaurigen Rest geworden war, ist
    ihm als Licht zurückgekehrt. Infolgedessen ist Dantes
    Aleph leidenschaftlicher hoffnungsfroh als das von
    Borges, der sehr wohl wußte, daß ihm das

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