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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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dieses Gerücht nicht öffentlich auf, und es
    produzierte auch sonst keine interessanten Ergebnisse bis
    zur Mitte des Jahrhunderts, als die Jesuiten anfingen, sich
    über die antiklerikalen Väter des italienischen Risorgi-
    mento Sorgen zu machen, über Leute wie Garibaldi, die
    Verbindungen zu den Freimaurern hatten. Die Idee, den
    Geheimbund der Carbonari als Handlanger einer jüdisch-
    freimaurerischen Verschwörung hinzustellen, schien ihnen
    vielversprechend.
    Zur selben Zeit versuchten jedoch die antiklerikalen
    Liberalen ihrerseits, die Jesuiten zu diffamieren und zu
    beweisen, daß sie nichts anderes täten als Komplotte
    gegen das Wohl der Menschheit zu schmieden. Mehr noch
    als durch einige »seriöse« Autoren (von Michelet und
    Quinet bis Garibaldi und Gioberti) wurde dieses Motiv
    durch einen Romanautor populär gemacht, nämlich durch
    Eugène Sue. In seinem Roman Der Ewige Jude erscheint
    der böse Rodin, Inbegriff der jesuitischen Weltverschwö-
    rung, unverkennbar als eine Neuauflage der Unbekannten
    353
    Oberen freimaurerischen wie klerikalen Gedenkens. Und
    er taucht erneut in Sues letztem Roman Die Geheimnisse
    des Volkes auf, in dem der teuflische Plan der Jesuiten bis ins letzte verbrecherische Detail dargelegt wird. Rudolf
    von Gerolstein, der aus den Geheimnissen von Paris in diesen Roman migriert ist, enthüllt den jesuitischen Plan
    und prangert mit feurigen Worten an, »wie schlau dieser
    höllische Plan erdacht worden ist, welch furchtbare
    Leiden, welch grauenhafte Beherrschung, welch schreck-
    lichen Despotismus er für Europa und die Welt bereithält,
    falls er je gelingen sollte …«
    1864, nachdem Sues Romane erschienen sind, schreibt
    ein gewisser Maurice Joly eine liberal inspirierte Satire
    gegen Napoleon III., worin Machiavelli, der den Zynismus
    des Diktators repräsentiert, in der Hölle mit Montesquieu
    debattiert. Dabei legt der Autor das von Sue beschriebene
    Jesuitenkomplott fast wörtlich seinem Machiavelli – also
    Napoleon III. – in den Mund.
    1868 veröffentlicht Hermann Goedsche, ein deutscher
    Postbeamter, der bereits andere offenkundig verleumde-
    rische Broschüren geschrieben hatte, unter dem Pseudo-
    nym »Sir John Retcliffe« einen Schauerroman mit dem
    Titel Biarritz , in dem eine okkulte Zeremonie auf dem Prager Judenfriedhof beschrieben wird. Goedsche hatte
    einfach eine Szene aus Dumas’ 1849 veröffentlichtem
    Roman Joseph Balsamo kopiert, in der jenes Treffen
    zwischen Cagliostro als Chef der Unbekannten Oberen
    und anderen Erleuchteten geschildert wird, bei dem dann
    alle das Komplott mit dem Halsband der Königin planen.
    Doch anstelle von Cagliostro & Co. läßt Goedsche die
    Vertreter der zwölf Stämme Israels auftreten, die sich auf
    dem Prager Friedhof versammeln, um die Eroberung der
    Welt vorzubereiten, wie der Großrabbiner ohne Um-
    schweife enthüllt. Acht Jahre später, 1876, steht dieselbe
    354
    Geschichte in einer russischen Hetzschrift namens Die
    Juden, Herren der Welt , aber so, als wäre sie wirklich geschehen. 1881 bringt sie die französische Zeitung Le
    Contemporain , die behauptet, sie aus sicherer Quelle zu haben, nämlich von dem englischen Diplomaten Sir John
    Readcliff. 1896 wird die Rede des Großrabbiners (der jetzt
    John Readclif heißt) erneut in dem Buch Les Juifs, nos
    contemporains von François Bournand abgedruckt. Und
    von nun an wird das von Dumas erfundene Freimaurer-
    treffen, verschmolzen mit dem von Sue erfundenen Welt-
    verschwörungsplan der Jesuiten, den Joly dann
    Napoleon III. in den Mund gelegt hat, zur »wahren« Rede
    des Großrabbiners und erscheint in diversen Formen an
    verschiedenen Orten.
    Um die Jahrhundertwende tritt eine Figur auf den Plan,
    die keine Romanfigur ist, aber eine zu sein verdiente: Pjotr
    Iwanowitsch Ratschkowski, ein Russe, der Kontakte zu
    linksextremen Gruppen gehabt haben soll, dann Polizei-
    spitzel geworden war, sich der rechtsextremen Terror-
    organisation »Schwarze Hundertschaften« genähert hatte
    und schließlich zum in Paris residierenden Auslandschef
    der zaristischen Geheimpolizei, der gefürchteten Ochrana
    ernannt worden war. Dieser Ratschkowski nun läßt, um
    seinem Beschützer, dem Minister Sergej Witte, gegen
    einen politischen Widersacher namens Ilja Zion oder Elie
    de Cyon zu helfen, dessen Landhaus am Genfer See
    durchsuchen und findet darin einen Text, in dem Cyon das
    Pamphlet von Joly gegen Napoleon III. abgeschrieben,
    aber die Ideen Machiavellis nun

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