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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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hat, sieht er links in der Nähe die Mauern des
    Klosters von Saint-S*** und rechts in der Ferne die Butte
    aux Gens d’Armes, die Ruinen der Abtei von Thiers und
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    das Schloß von Pontarmé, also lauter Lokalitäten im
    Nordwesten von Loisy, wohin er dann wieder zurückkehrt.
    Er kann also nicht den Weg nach Montagny eingeschlagen
    haben, das zu weit im Nordosten liegt.
    Am Anfang von Kapitel 9 begibt sich Jerard vom Ort
    des Balls nach Montagny, dann geht er zurück nach Loisy,
    findet dort alle noch schlafend vor, wendet sich nach
    Ermenonville, läßt die »Einöde« links liegen, gelangt zum
    Grabmal Rousseaus und kehrt von dort nach Loisy zurück.
    Wäre er wirklich nach Montagny gegangen, hätte er einen
    sehr weiten Weg zurücklegen müssen, um dort hinzu-
    gelangen, nachdem er bereits durch die Gegend von
    Ermenonville gekommen war, und es wäre unsinnig, nach
    Loisy zurückzukehren – nochmals durch die Gegend von
    Ermenonville –, um dann zu beschließen, erneut in Rich-
    tung Ermenonville zu gehen und schließlich abermals
    nach Loisy zurückzukehren.
    Gewiß kann dies auf biographischer Ebene bedeuten,
    daß Nerval sich entschlossen hatte, das Haus seines
    Onkels nach Montagny zu verlegen, dann aber nicht damit
    zurechtgekommen war und weiter (mit Labrunie) an
    Mortefontaine gedacht hat. Doch das braucht uns nicht
    weiter zu beschäftigen, es sei denn, wir wollten auf seinen
    Spuren gehen und die Wanderung wiederholen. Der Text
    ist dazu da, uns in ein Valois zu entführen, in dem sich die
    Erinnerung mit dem Traum vermengt, und er tut alles, um
    uns die Spur verlieren zu lassen.
    Wenn das aber das so ist, warum soll man dann
    versuchen, um jeden Preis die Karte zu rekonstruieren?
    Ich glaube, daß normale Leser darauf verzichten, wie ich
    selbst es viele Jahre lang getan habe, denn es genügt, sich
    vom Zauber der Namen fesseln zu lassen. Schon Proust
    hat hervorgehoben, welche Macht die Namen in dieser
    Erzählung haben, und er schloß mit der Bemerkung, wer
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    Sylvie einmal gelesen habe, könne nicht umhin zu
    erschauern, wenn er zufällig in einem Eisenbahnfahrplan
    den Namen Pontarmé lese. Doch er bemerkte auch, daß
    andere Ortsnamen, die ebenfalls in der Literaturgeschichte
    berühmt sind, nicht die gleiche Gefühlsaufwallung
    bewirken. Vielleicht weil die hier auftretenden Toponyme
    sich im Kopf (oder im Herzen) wie eine musikalische
    Tonfolge, eine petite phrase festsetzen?
    Die Antwort scheint mir evident: weil sie wiederkehren .
    Die Leser zeichnen keine Karten, sondern hören
    (buchstäblich, wie man Töne hört), daß Jerard bei jeder
    Rückkehr ins Valois dieselben Orte berührt, in fast
    derselben Reihenfolge, wie wenn ein und dasselbe Motiv
    nach jeder Strophe wiederkehrt. Eine solche musikalische
    Form nennt man Rondo, und frz. rondeau kommt von
    ronde wie Runde, Reigentanz. So hören die Leser
    buchstäblich akustisch eine kreisförmige Struktur, und in
    gewisser Weise sehen sie sie auch, aber undeutlich, als handle es sich um eine spiralförmige Bewegung oder um
    eine sukzessive Überlagerung von Kreisen.
    Darum lohnt es sich schon ein wenig, die Karte zu
    rekonstruieren, um visuell zu begreifen, was uns der Text
    akustisch hören läßt. Auf meiner Karte findet man
    ausgehend von Loisy drei exzentrische Kreise in unter-
    schiedlicher Tönung. Sie stellen die drei wichtigsten
    Wanderungen dar – nicht die tatsächlich zurückgelegten
    Wege, sondern die vermutlichen Zonen der Exkursion.
    Der hellste Kreis umschreibt Jerards nächtliche
    Wanderung in Kapitel 5 (von Loisy nach Montagny –
    bzw. Mortefontaine –, aber mit einem Umweg an Saint-
    S*** vorbei zum südwestlichen Rand des Waldes von
    Ermenonville, dann zurück nach Loisy, während in der
    Ferne Pontarmé, Thiers oder die Butte aux Gens d’Armes
    zu sehen sind); der etwas dunklere Kreis umgreift Jerards
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    Wanderung in Kapitel 9 (vom Ort des Balls zum Haus des
    Onkels – der in Mortefontaine leben muß –, dann nach
    Loisy und weiter nach Ermenonville bis zum Grabmal
    Rousseaus; schließlich zurück nach Loisy); der dunkelste
    Kreis umgrenzt Jerards und Sylvies Wanderung nach
    Châalis in Kapitel 10 und 11 (von Loisy durch den Wald
    von Ermenonville nach Châalis, dann zurück nach Loisy
    über Charlepont). Die Wanderung nach Othys ist eine
    einfache Hin- und Rückreise ins 18. Jahrhundert.
    Der größte Kreis schließlich, der die ganze Gegend
    umfaßt, entspricht den Streifzügen mit Aurélie in
    Kapitel 13.

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