Die Bücher und das Paradies
Junge
einem
Mädchen
beim
Tanz
–
der Kranz für
–
der Kranz für
Sylvie wird
Adrienne wird
zufällig
erhascht
extra
geflochten
–
der Kuß als
–
der Kuß als
bloße
mystische
Konvention
Erfahrung
–
man ist auf
–
alle fühlen sich
einem alten
wie im
galanten
Fest
Paradies
5. verzauberte
9. depressive
Waldwanderung allein
Waldwanderung allein
6. fröhliche
10. die Tante gestorben,
Waldwanderung zu zweit und
unfroher Gang nach Châalis
Besuch bei der Tante
7. Erscheinung Adriennes
11. vage Erinnerung an
als singender Engel
Adrienne, Sylvie singt
Tatsächlich zerbricht das beunruhigende Kapitel
»Châalis« die Symmetrie und trennt die ersten sechs
Kapitel von den restlichen sieben. Einerseits haben wir in
diesem siebten Kapitel einen Gegensatz zu dem Tanz in
Kapitel 4: ein aristokratisches Zeremoniell gegenüber dem
Volksfest auf der Insel (es sind keine Jugendlichen da
außer auf der Bühne, Jerard und Sylvies Bruder kommen
wie Eindringlinge hinzu), ein geschlossener Raum
gegenüber dem offenen Raum von Kythera, der düstere
Gesang der inzwischen Nonne gewordenen Adrienne
gegenüber dem süßen Gesang der noch mädchenhaften
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Adrienne, eine Totenfeier gegenüber einem pervigilium
Veneris , die Wiederkehr der Faszination Adriennes
gegenüber der Wiedereroberung Sylvies …
Darüber hinaus enthält dieses Kapitel Themen der
anderen Kapitel, aber traumartig unentscheidbar, neutra-
lisiert. Beiläufig erwähnt werden zum Beispiel das Bogen-
schießen, die Standuhr, eine Art Schautanz, ein Kranz in
Form eines Heiligenscheins aus vergoldeter Pappe und vor
allem ein Schwan. Viele Kommentatoren unterstellen,
dieser Schwan sei nicht bloß ein Emblem, ein über der Tür
eingraviertes oder modelliertes Wappen (wie es der
heraldische Terminus éployé nahelegen würde), sondern ein leibhaftiger, über der Tür angenagelter Schwan. Das
scheint mir zuviel, auch wenn in einem Traum alles
möglich ist, aber auf jeden Fall taucht dieser Schwan auf
halbem Wege zwischen dem lebendigen, triumphierend
auffliegenden Schwan in Kapitel 4 und dem nicht mehr
anwesenden in Kapitel 14 auf.
Man hat von »Ritualen der Degradierung« gesprochen,
aber man braucht die Symmetrien gar nicht freizulegen,
um sie zu erkennen, sie wirken gleichsam hinter dem
Rücken des Lesers, jede Wiederkehr eines schon einmal
angesprochenen Motivs erzeugt ein Gefühl von déjà vu ,
aber man bemerkt nur, daß einem etwas weggenommen
worden ist, was man glaubte gehabt zu haben.
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Kreisbewegungen
Nebeleffekte, Labyrintheffekte: Poulet hat von »Meta-
morphosen des Kreises« gesprochen.5 Vielleicht hat die
Kritik in Sylvie mehr Kreise gesehen, als da sind – den magischen Kreis der Bühne, die konzentrischen Kreise des
Tanzes auf der Wiese (den Kreis der von Bäumen
umringten Wiese, den des Reigens der Mädchen und
schließlich, im Wirbel des Tanzes wie in einem ganz
nahen Vordergrund, den der langen goldenen Ringel-
locken von Adrienne) und beim ersten Fest in Loisy die
drei Kreise des Teiches, der Insel und des Tempels.
Andere hat sie, scheint mir, bisweilen unterschätzt.
So wird zum Beispiel in Kapitel 9, während des Besuchs
im Hause des verstorbenen Onkels, das Wort jardin
dreimal im selben Absatz wiederholt. Das ist keine stili-
stische Nachlässigkeit, es handelt sich um drei Gärten, die
drei verschiedenen Epochen angehören, aber konzentrisch
angelegt sind, wenn nicht in räumlicher, so doch in einer
zeitlichen Perspektive. Es ist, als ob Jerards Auge zuerst
den Garten seines Onkels sähe, dann weiter hinten den
seiner Kindheit und schließlich in noch weiterer Ferne den
der Geschichte (den Garten als Ort antiker archäologischer
Funde). So gesehen wird dieser dreifache Garten gleich-
sam zu einem Miniaturmodell der ganzen Erzählung, aber
von ihrem Schlußpunkt aus betrachtet. An einem voller
Enttäuschung wiederbesuchten Ort (der Garten ist nur
noch ein Haufen Gestrüpp) taucht im Nebel der
Erinnerung zuerst die noch erkennbare, wenn auch schon
halb verwischte Spur der verzauberten Kinderwelt auf und
5 Georges
Poulet,
Les métamorphoses du cercle , Paris, Plon, 1961.
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dann in der Ferne, als Jerard den Garten nicht mehr vor
seinem äußeren, sondern vor seinem inneren Auge sieht,
ein Echo jener römischen und druidischen Zeiten, die
schon zu Beginn der Erzählung evoziert worden sind.
Kreisförmig ist schließlich auch die
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