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Die Bücher und das Paradies

Die Bücher und das Paradies

Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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haben die
    offiziellen Literaturgeschichten zwar diese Texte in
    Betracht gezogen, aber nur unter dem Aspekt des Stils,

    1 Vorwort zu Piero Camporesi, The Juice of Life , New York, Continuum, 1995 [Orig.: Il sugo della vita: simbolismo e magia del sangue , Mailand, Mondadori, 1988, dt. bisher nicht erschienen, A. d. Ü.].
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    nicht des Inhalts. Camporesi jedoch hat sein Leben damit
    verbracht, sie als Zeugnisse einer Lebensweise zu lesen.
    Camporesi ist also ein Ethnologe, der nicht das Leben der
    heutigen Menschen studiert, seien sie auch »Wilde« oder
    »Primitive«, sondern das Leben der (höchst zivilisierten)
    Menschen in der Vergangenheit.
    Ich möchte das näher erläutern. Camporesi ist wie
    jemand, der einen Raum betritt, in dem ein Teppich mit
    herrlichen Mustern in prächtigen Farben liegt, den alle
    stets als ein Kunstwerk betrachtet haben. Er nimmt ihn an
    einer Ecke hoch, dreht ihn um und zeigt uns, daß unter
    dem Teppich Würmer, Maden und Schaben wimmeln, ein
    ganzes unbekanntes Untergrundleben . Ein Leben, das
    noch nie jemand entdeckt hat. Und doch war es die ganze
    Zeit unter dem Teppich.
    So hat Camporesi sein Leben damit verbracht, ver-
    gessene Texte zu lesen und wiederzulesen, auch solche,
    die vor aller Augen lagen, aber noch nie in dieser Weise
    gelesen worden waren, um uns zu sagen, wie in den
    vergangenen Jahrhunderten die Welt bewohnt war von
    Vagabunden, Scharlatanen, Wunderheilern, Dieben, Mör-
    dern, gotteserleuchteten Narren, falschen und echten
    Leprakranken. Er hat die aus ewigem Hunger geborenen
    Träume vom Schlaraffenland wiederentdeckt, er hat die
    Riten des Karnevals, des Hexensabbats, der diabolischen
    Halluzinationen wiedergefunden.
    Er hat Texte ans Licht gezogen, die erkennen lassen, daß
    und inwiefern man in früheren Jahrhunderten andere
    Vorstellungen vom eigenen Körper hatte, ebenso vom
    Essen (Camporesi ist Feinschmecker, er begreift, was in
    fernen Zeiten der Geruch eines Käses, der Geschmack der
    Milch bedeutete). Er hat die Passagen der religiösen
    Prediger wiedergelesen, die von der Hölle und ihren
    Qualen sprachen (was für ihn hieß, den Körper als Ort und
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    Gelegenheit für Schmerz, Strafe, unendliche Leiden
    wiederzuentdecken), er hat sich angesehen, wie die
    Menschen früher aßen, wie sie kochten, wie sie beim
    Schlucken mit der Zunge schnalzten, wie sie mit Salben
    und Elixieren ihre sexuellen Fähigkeiten steigerten, wie im
    18. Jahrhundert
    jene
    exotischen und (damals)
    erstaunlichen Getränke aufgenommen wurden, die der
    Kaffee und die Schokolade waren, wie die Arbeit der
    Bergleute aussah, der Weber, der Barbiere, der Chirurgen,
    der Ärzte, der Wunderheiler, welches Bild man von den
    Armen hatte, von den Entrechteten, von den Schurken,
    den Dieben, den Mördern, den Verzweifelten.
    Alles, was Camporesi aufdeckt, hat schon vorher klar
    und deutlich in Büchern gestanden, die sich im Laufe der
    Jahrhunderte angesammelt haben. Camporesi versteht es
    einfach, sie neu zu lesen.
    Daher ist er ein Literaturhistoriker, der uns dazu einlädt,
    in der Literatur die weniger berühmten Texte neu zu
    entdecken. Er ist ein Ethnologe, aber einer, der die Sitten
    und Bräuche vergangener Kulturen wiederentdeckt, indem
    er den Spuren nachgeht, die sie in diversen Texten
    hinterlassen haben.
    Wie Camporesi ist, kann man nicht so leicht sagen. Ich
    gestehe, wenn ich alle seine Bücher in einem Stück lesen
    müßte, würde mir übel werden, denn sie sind eine Folge
    von Entdeckungen über die Art und Weise, wie die Körper
    geliebt, gevierteilt, ernährt, obduziert, verschlungen,
    verworfen, gedemütigt werden … Camporesis Ethnologie
    ist grausig, erbarmungslos, dokumentiert, wahr. Wenn
    jemand beschlösse, alle seine Bücher eins nach dem
    anderen zu lesen, überkäme ihn sehr bald Grauen,
    Überdruß, Ekel vor dieser Orgie von Fasern, Eingeweiden,
    Mündern, Beulen, Brechreiz und Freßgier. Camporesis
    Bücher muß man sich schlückchenweise zu Gemüte
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    führen, nach und nach, damit man der Obsession des
    triumphierenden Körpers mit all seinem Elend und seinem
    Glanz entgeht. Sie alle auf einen Rutsch zu lesen wäre, als
    würde man eine Woche lang nichts als Sahnetorte essen –
    oder als würde man eine Woche lang in den eigenen
    Exkrementen schwimmen (was auf dasselbe hinausliefe).
    Das vorliegende Buch verfolgt nur einen Aspekt dieser
    unerträglichen Darstellung des menschlichen Körpers
    durch die Jahrhunderte: das Blut, seine Mythen,

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