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Die Bücher und das Paradies

Die Bücher und das Paradies

Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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des zufälligen,
    aber fortgesetzten scanning : Wenn man die Bücher oft
    genug zur Hand nimmt und neu ordnet, bleibt es nicht aus,
    daß man dann und wann einen Blick hineinwirft; auch
    wenn man ein Buch nur umstellen wollte, liest man ein
    bißchen darin, heute eine Seite, ein paar Wochen später
    eine andere, und schließlich hat man einen Großteil davon
    gelesen, wenn auch nicht kontinuierlich. Doch die wahre
    Erklärung ist eine andere: Zwischen dem Zeitpunkt, an
    dem das Buch in unsere Bibliothek gekommen ist, und
    dem Moment, in dem wir es aufschlagen, haben wir
    andere Bücher gelesen, in denen etwas enthalten war, was
    in jenem ersten Buch gestanden hat, und so entdeckt man
    am Ende dieses langen intertextuellen Weges, daß auch
    jenes nicht gelesene Buch inzwischen zu unserem
    geistigen Erbe gehört und uns vielleicht sogar tief
    beeinflußt hat. Ich glaube, so ist es bei Borges mit seinen
    Beziehungen zu Peirce und Royce gewesen. Und wenn
    das ein Einfluß ist, dann jedenfalls kein direkter.
    Zum Thema des Doppelgängers: Warum habe ich dieses
    Motiv in der Insel des vorigen Tages verwendet? Weil
    Emanuele Tesauro in seinem Cannochiale aristotelico
    sagt, wenn man einen barocken Roman schreiben wolle,
    sei der Doppelgänger obligatorisch. Um Tesauros Regeln
    zu befolgen, habe ich zu Beginn des Romans den
    Zwillingsbruder eingeführt, und dann wußte ich nicht, was
    ich mit ihm anfangen sollte. Nach einer Weile fand ich
    doch eine Möglichkeit, ihn zu verwenden. Aber hätte ich
    ihn auch eingeführt, wenn ich (jenseits der Anregung von
    169
    Tesauro) nicht auch vom Thema des Doppelgängers bei
    Borges beeinflußt gewesen wäre? Und was, wenn ich statt
    dessen an den Doppelgänger bei Dostojewski gedacht
    hätte? Und wenn Borges von Tesauro beeinflußt worden
    wäre, womöglich durch andere barocke Autoren?
    Bei den Spielen mit Intertextualität und Einflüssen muß
    man sich immer hüten, die simpelste Lösung zu wählen.
    Jemand von Ihnen hat dieser Tage an die Stelle bei Borges
    erinnert, wo er von einem Affen spricht, der blindlings auf
    die Tasten einer Schreibmaschine haut und am Ende die
    Divina Commedia geschrieben hat. Bedenken Sie aber,
    daß das Argument, wenn man Gott leugne, müsse man
    annehmen, daß die Erschaffung der Welt so vonstatten
    gegangen sei wie das Tun jenes Affen, unzählige Male
    von den christlichen Fundamentalisten im 19. Jahrhundert
    (und später) gegen die Evolutionstheorie und die Theorien
    der zufälligen Entstehung des Kosmos benutzt worden ist.
    Das Thema ist sogar noch viel älter, wir könnten es bis zu
    Demokrit und zu Epikurs Diskussionen über das clinamen
    zurückführen.
    Heute morgen ist unter Verweis auf Mauthner die Frage
    angesprochen worden, ob die real characters von Wilkins so etwas wie die Schriftzeichen einer uralten chinesischen
    Sprache seien (daher dann Borges’ Idee der chinesischen
    Enzyklopädie). Aber daß diese »realen Buchstaben« den
    chinesischen Ideogrammen gleichen müßten, hat schon
    Francis Bacon gesagt, und damit hat die ganze Suche nach
    der vollkommenen Sprache im 17. Jahrhundert begonnen.
    Gegen diese Idee hat Descartes gewettert. Nun kannte
    Borges zweifellos, ob durch Mauthner oder direkt, den
    berühmten Brief von Descartes an Mersenne, aber kannte
    er auch die Theorie von Francis Bacon über die real
    characters und die chinesischen Ideogramme? Oder hat er das Thema bei Athanasius Kircher gefunden? Oder bei
    170
    noch einem anderen Autor? Ich denke, es lohnt sich, die
    Drehscheiben der Intertextualität mit voller Kraft rotieren
    zu lassen, um zu sehen, auf welch unerwartete Weisen
    sich das Spiel der Einflüsse artikuliert. Manchmal ist der
    tiefste Einfluß der, den man zuletzt entdeckt, und nicht
    der, den man gleich erkennt.
    Ich würde gern noch einige Aspekte meiner Arbeit
    hervorheben, in denen ich nicht als Borgesianer bezeichnet werden kann, aber da die Zeit schon fortgeschritten ist,
    will ich nur zwei erwähnen.
    Zunächst die Frage der Quantität. Natürlich kann man
    ein kurzes Gedicht wie Leopardis Infinito schreiben oder einen historischen Schmöker wie Cantùs Margherita
    Pusteria , was ein ebenso langes wie langweiliges Buch ist; aber lang ist auch und dabei erhaben die Divina
    Commedia , während ein kurzes Sonett von Burchiello
    bloß amüsant ist. Der Gegensatz Minimalismus/Maxi-
    malismus ist kein Wertgegensatz. Er ist ein Gegensatz in
    der Gattung oder im Verfahren. Und in diesem Sinne war
    Borges zweifellos

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