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Die Bücher und das Paradies

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Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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sondern zur Individuation jener Text-
    strategie, die ich symbolischen Modus zu nennen be-
    schlossen habe?
    Die Anregung hat uns vor einiger Zeit ein
    leidenschaftlicher, notgedrungen entschlossener Er-
    forscher zweiter Bedeutungen gegeben: Augustinus. Wenn
    uns etwas in der Heiligen Schrift, obwohl es semantisch
    verständlich ist, irgendwie sonderbar vorkommt, über-
    flüssig, überschüssig, unerklärlich auffällig, dann muß
    nach einem zweiten Sinn gesucht werden, der sich
    dahinter verbirgt. Die Aufmerksamkeit für den symbo-
    lischen Modus ergibt sich aus der Entdeckung, daß etwas
    im Text steht und einen Sinn ergibt, obwohl es ebensogut
    auch fehlen könnte, so daß man sich fragt, warum es
    dasteht. Dieses Etwas ist nicht Metapher, denn sonst
    würde es den gesunden Menschenverstand beleidigen,
    würde die stumpfe Reinheit der Nullstufe des Schreibens
    verunreinigen. Es ist nicht Allegorie, denn es verweist
    nicht auf irgendeinen heraldischen Kode. Es steht da, es
    stört uns nicht weiter, es verlangsamt höchstens ein
    bißchen die Lektüre, aber die Vergeudung, die es darstellt,
    seine unschuldige Inkongruenz, seine aus ökonomischer
    Sicht unangebrachte Präsenz lassen vermuten, daß es
    dasteht, um etwas anderes zu besagen.
    Gerade die Unwesentlichkeit, die scheinbare Grund-
    losigkeit dieser Figur macht sie totemisch. Gerade die
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    Frage, die sie uns nahelegt (»Warum stehst du da, an
    dieser Stelle?«), treibt uns zu immer weiteren unbeant-
    worteten Fragen. Es ist dies einer der seltenen Fälle, in
    denen nicht unsere dekonstruktive Hybris, sondern der
    Text selbst zur Abdrift einlädt.
    Warum braucht Montale gut sechzig »Alte Verse«, um
    zu erzählen, wie eines Abends ein »scheußlicher
    Nachtfalter mit spitzem Rüssel« ins Zimmer eindringt, an
    den Lampenschirm stößt, daß die Fransen erzittern, und
    hektisch umherzuckend die Kartenhäuser auf dem Tisch
    einstürzen läßt? Es ist gerade die Belanglosigkeit der
    Erfahrung, die sie totemisch macht, e fu per sempre / con
    le cose che chiudono in un giro / sicuro come il giorno, e la memoria / in sé le cresce – »und war für immer / eines der Dinge, die in einem Kreis / sich schließen wie der Tag,
    und das Gedächtnis / läßt sie wachsen«.6
    Warum sagt uns T. S. Eliot in Vers 30 von The Waste
    Land , nachdem er uns angekündigt hat, daß er uns etwas zeigen wird, was sowohl anders ist als unser Schatten am
    Morgen, der uns nachfolgt, wie auch anders als unser
    Schatten am Abend, der sich vor uns erhebt (und es liegt
    bei uns zu entscheiden, ob die Verse wörtlich oder
    metaphorisch zu nehmen sind): I will show you fear in a
    handful of dust – »ich werde euch die Angst in einer
    Handvoll Staub zeigen«? In diesem Fall übertrifft das
    Symbol sogar noch die Kraft der Metapher. Gewiß könnte
    diese Handvoll Staub eine Metapher für vieles sein, und
    traditionell wäre sie, gleichsam per Katachrese, eine für
    den Mißerfolg, das Scheitern. Wie oft im Leben haben wir
    für unsere Mühen nichts als eine Handvoll Staub

    6 Eugenio Montale, Vecchi versi , dt. in Gedichte 1920 – 1954 , übertragen von Hanno Helbling, Hanser 1987, S. 198 ff. (A. d. Ü.).
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    bekommen, so daß wir den Ausdruck zu einer stehenden
    Redewendung gemacht haben. Aber ist es diese Angst, die
    uns Eliot zeigen will und die er heraufbeschwört?
    Mißerfolg enttäuscht, schmerzt, entmutigt, aber er macht
    nicht Angst, denn er enthält nichts Unerwartetes mehr.
    Diese handfull of dust steht hier für etwas anderes, vielleicht ist sie schon seit dem Urknall da, und wenn sie
    ein Scheitern meint, dann das des Demiurgen. Oder nein,
    sie ist die Epiphanie eines Universums ohne Urknall und
    ohne Demiurg, der Beweis für unser »Sein zum Tode«
    (aber The Waste Land ist fünf Jahre vor Sein und Zeit erschienen).
    Epiphanie, sagte ich. Im Grunde ist Joyces Begriff der
    Epiphanie die weltlichere Version des symbolischen
    Modus. Etwas tritt plötzlich in Erscheinung, und wir
    wissen, daß es eine Erscheinung ist, sonst wäre es nicht so
    inkongruent, so inhomogen zu seiner Umgebung, und
    doch wissen wir nicht, was es enthüllt. Das Symbol ist
    eine Epiphanie mit Magierkönigen, von denen wir nicht
    wissen, woher sie kommen, wohin sie gehen und wen
    anzubeten sie gekommen sind. Die Krippe in Bethlehem
    ist leer, oder sie ist schon besetzt von, was weiß ich, einem
    rätselhaften Objekt, einem Dolch, einer Black Box, einer
    Glasglocke voller Schneeflocken, die auf die

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