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Die Bücher und das Paradies

Die Bücher und das Paradies

Titel: Die Bücher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Erleuchtung, jener
    Ekstase, jener blitzartig-jähen Einsicht, die alle modernen
    Theorien des Symbolismus als dem Symbol eigentümlich
    betrachten. Das mittelalterliche Symbol eröffnet zwar
    einen Zugang zum Göttlichen, aber es ist keine Epiphanie
    des Numinosen, und es offenbart auch keine Wahrheit, die
    nur in Begriffen des Mythos und nicht in solchen des
    rationalen Diskurses ausgedrückt werden kann. Es ist eher
    eine Vorstufe zum rationalen Diskurs, und seine Aufgabe
    besteht gerade darin, im selben Moment, in dem es sich als
    Lehrstück und Vorstufe nützlich erweist, seine eigene
    Unangemessenheit offenbar zu machen: sein fast hege-
    lianisch zu nennendes Schicksal, durch einen nach-
    folgenden rationalen Diskurs bewahrheitet zu werden. Mit
    anderen Worten, die mittelalterliche Welt war begierig auf
    Symbole, der mittelalterliche Mensch empfand Ver-
    wirrung, Angst und Ehrfurcht vor dem Bären und dem
    Panther, vor der Rose und der Eiche; aber das waren
    heidnische Überbleibsel. Nicht nur die Theologie, sogar
    die Bestiarien waren fest entschlossen, diese Symbole zu
    entschlüsseln, sie in Metaphern oder Allegorien zu
    verwandeln, um sie am freien Fluktuieren zu hindern.
    Im übrigen geschieht das ja auch mit dem, was
    C. G. Jung Archetypen nennt und was ich unter die
    weitere Kategorie jener Objekte fassen würde, die ich in
    metaphorischem Sinne »totemisch« nennen möchte, da sie
    gerade durch ihre Rätselhaftigkeit gebieterisch und
    stimulierend sind. Jung war der erste, der uns erklärt hat,
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    wie jedesmal, sobald diese archetypischen Bilder die
    Einbildungskraft des Mystikers faszinieren und ihn zu
    einer unendlichen Drift von einer Bedeutung zur anderen
    mitreißen, sofort irgendeine religiöse Autorität eingreift,
    um sie zu kommentieren, einem Kode zu unterwerfen und
    in Gleichnisse zu verwandeln. Und dann wird das
    totemische Objekt zu einem Symbol im degeneriertesten
    Sinne des Wortes, jenem, in dem wir die Erkennungs-
    zeichen der politischen Parteien als Symbole bezeichnen,
    auf denen wir dann das Kreuzchen (oft inkognito) unserer
    Zustimmung machen. Ausgestattet mit konnotativen
    Appellen auf verschiedenen Ebenen (insofern man für eine
    Fahne, ein Kreuz, einen Halbmond oder einen Hammer
    mit Sichel zittern oder sterben kann), stehen sie jedoch da,
    um uns zu sagen, woran wir glauben oder was wir
    ablehnen sollen. Das Heilige Herz der Vendée war längst
    nicht mehr das, welches die heilige Marguerite-Marie
    Alacoque geblendet hatte. Aus einer Erfahrung des
    Numinosen war es zu einem Banner geworden.
    Eine Vorstellung vom Symbol als Erscheinung, die auf
    eine mit Worten nicht ausdrückbare, widersprüchliche,
    unfaßbare Wirklichkeit verweist, setzt sich im Abendland
    erst mit der Verbreitung der hermetischen Schriften durch
    und erfordert einen sehr »starken« Neuplatonismus. Doch
    kaum ist das Gefühl für die jähen Erleuchtungen, die uns
    die dunklen Reden des Hermes Trismegistos bieten, zu
    einer Mode, einem Stil, einer koiné geworden, regt sich auch hier sofort der einst mittelalterliche und nun
    hermetische Wille, das Symbol einzufangen und ihm einen
    sozialisierbaren Sinn zu verleihen.
    Interessanterweise war die Barockzeit am fruchtbarsten
    in der Produktion, ja Neuerfindung von totemischen
    Objekten – ich meine die Wappen, Devisen und Embleme;
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    und interessanterweise sprach man bei ihnen stets von
    Symbolen. Syntagma de symbolis hieß einer der
    berühmtesten Kommentare zu Alciatos Emblemata , von
    Symtblicarum Quaestiones spricht Bocchi, von Mundus Symbolicus Picinelli, ebenso der Scarlatino des Homo Figuratus et Symbolicus . Doch was diese Symbole sind,
    erklärt Tesauro in seinem Cannochiale Aristotelico : »Das Symbol ist eine Metapher, die mittels irgendeiner
    offenbaren Figur einen Begriff bedeutet.«
    In dieser Verherrlichung der Symbole manifestiert sich
    stets ein dogmatischer Wille zum Kommentar, das heißt
    zur Entschlüsselung. Ehrfurchtgebietende Bände machen
    uns sprachlos angesichts ihrer ikonologischen Ausstattung
    mit wie aus Träumen entsprungenen Bildern, lebensecht
    und detailgenau abgebildeten Leichnamen, Paradies für
    Psychoanalytiker, die nicht vorhaben, den monumentalen
    Kommentar dazu zu lesen. Geht man jedoch zu diesem
    Kommentar über, so stellt man bald fest, daß er den Leser
    Schritt für Schritt und nicht ohne Redundanz zur exak-
    testen, wenn auch spitzfindigsten Entschlüsselung jeder
    Figur führt, um eine und immer nur eine Moral

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