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Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Kampfes gegen McCarthy dem Geist der Americana nie völlig abgeschworen, auch nicht als Vittorini die KPI aufgrund ideologischer Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Chef Togliatti verließ.
    Gleichwohl ist das, was uns hier interessiert, eine andere Seite dieser zweiten Generation, die sowohl innerhalb wie außerhalb der beiden marxistischen Parteien jener Zeit -der kommunistischen und der sozialistischen - leben konnte und deren Definition so vage und ungenau klingen würde, daß ich mich gezwungen sehe, eine narrative Willkürentscheidung zu treffen. Ich setze mir eine fiktive Person zusammen, die ich Roberto nennen will. Unter den Angehörigen der Klasse, als deren Vertreter er sich versteht, mag es neunzigprozentige Robertos und zehnprozentige Robertos gegeben haben. Meiner wird ein hundertprozentiger Roberto sein. Vielleicht gab es unter den Mitgliedern des Zentralkomitees der KPI nicht viele Robertos; aber mein Roberto lebte eher im außerparteilichen Gelände der kulturellen Aktivitäten, der Verlage, Kinematheken, Zeitungen, Konzerte, und gerade in diesem Sinne war er kulturell sehr einflußreich.
    Geboren sein könnte Roberto zwischen 1926 und 1931. Aufgewachsen im Faschismus, war sein erster Akt der Revolte (natürlich unbewußt) die Lektüre der aus dem Amerikanischen (schlecht) übersetzten Comic strips. Flash Gordon gegen Ming war für ihn das erste Bild des Kampfes gegen die Tyrannei. Der Mann mit der Maske war zwar ein Kolonialist, aber statt den Eingeborenen im bengalischen Dschungel westliche Modelle aufzuzwingen, suchte er die ebenso weisen wie uralten Traditionen der Bandar zu bewahren. Topolino (wie bei uns Mickey Mouse heißt) als Journalist, der sich mit korrupten Politikastern herumschlägt, um das Überleben seiner Zeitung zu sichern, war für Roberto die erste Lektion über Pressefreiheit. 1942 verbot Mussolinis Regierung die Sprechblasenstreifen, und wenige Monate später unterdrückte sie auch die amerikanischen Protagonisten: Topolino wurde durch Toffolino ersetzt, der keine Maus mehr war, sondern ein Mensch, auf daß die Reinheit der Rasse erhalten bliebe. Man fing an, die alten Hefte heimlich zu sammeln. Ein sanfter und weher Protest.
    1939 war der Ringo in Stagecoach das Idol einer Generation. 3 Ringo kämpfte nicht für eine Ideologie oder für das Vaterland, sondern für sich selbst und für eine Prostituierte. Er war antirhetorisch und deshalb antifaschistisch. Antifaschistisch waren auch Fred Astaire und Ginger Rogers, da sie gegen den Piloten Luciano Serra antraten, den Protagonisten des gleichnamigen imperial-faschistischen Films, zu dessen Produktion auch Vittorio Mussolini beigetragen hatte. Das menschliche Vorbild, das Roberto vorschwebte, war eine Mischung aus Sam Spade, Ishmael, Edward G. Robinson, Charlie Chaplin und dem Magier Mandrake. Ich stelle mir vor, daß es für einen Amerikaner auch in einer Zeit massenhafter Nostalgie nichts Gemeinsames gibt, was Jimmy Durante, Gary Cooper in Wem die Stunde schlägt, James Cagney in Yankee Doodle Dandy und die Mannschaft der »Pequod« miteinander verbindet. Aber für Roberto und seine Freunde gab es einen roten Faden, der sich durch alle diese Begegnungen zog: Sie alle waren Personen, die gern am Leben sind und nicht sterben wollen, und darum bildeten sie die rhetorische Antistrophe zu dem faschistischen Übermenschen, der Sorella Morte respektive Bruder Tod feierte und der eigenen Vernichtung fröhlich mit zwei Bomben in Händen und einer Blume im Mund entgegeneilte. Den Steptanz lieben hieß damals, den Stechschritt verachten und später, die stachanowschen Allegorien des sozialistischen Realismus belächeln.
    Roberto und seine Generation hatten auch eine Musik: den Jazz. Nicht nur, weil er avantgardistische Musik war, die sie nicht anders hörten als die von Strawinsky oder Bartok, sondern auch, weil er degenerierte Musik war, die von Negern in den Kaschemmen gemacht wurde. Roberto war das erste Mal antirassistisch aus Liebe zu Louis Armstrong.
    Mit diesen Modellen im Kopf ging Roberto 1944, blutjung, zu den Partisanen. Nach dem Krieg wurde er entweder Mitglied oder »Weggefährte« einer Partei der Linken. Er respektierte Stalin, war gegen die amerikanische Invasion in Korea, protestierte gegen die Hinrichtung der Rosenbergs. Nach dem Einmarsch der sowjetischen Panzer in Budapest verließ er die Partei. Er war fest davon überzeugt, daß Truman ein Faschist und Li’l Abner von Al Capp ein Held der Linken sei, ein Verwandter

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