Die Buecher und das Paradies
Edgar Allan Poe einzuladen, der seinerseits Moby Dick reitet. Auch die kritischen Urteile sind Metaphern und Hyperbeln:
Melville ist das Adjektiv zu Poe und Hawthorne als Substantiven. Er sagt uns, daß Reinheit Wildheit ist. Reinheit ist ein Tiger ... Billy Budd am Galgen. Er ist ein Adjektiv. Doch so, wie das Glück ein Adjektiv des Lebens ist. Oder ebenso die Verzweiflung.
Amerika als Chanson de geste. Ezra Pound und die Schwarzen des Blues.
Amerika ist heute (durch die neue Legende, die sich bildet) eine Art neuer märchenhafter Orient, und der Mensch erscheint darin von Mal zu Mal unter dem Zeichen einer erlesenen Besonderheit, als Filipino oder Chinese oder Slawe oder Kurde, um jedoch substantiell immer dasselbe zu sein: lyrisches »Ich«, Protagonist der Schöpfung.
Der Band ist multimedial gestaltet, er enthält nicht nur ausgewählte literarische Texte und literaturkritische Überleitungen, sondern auch großartige Fotografien. Bilder der Fotografen des New Deal, die für die Works Progress Administration arbeiteten. Ich weise ausdrücklich darauf hin, weil ich von jungen Leuten gehört habe, die damals gerade durch die Begegnung mit diesen Fotos kulturell und politisch erwachten, da sie durch ihren Anblick mit einer anderen Wirklichkeit konfrontiert wurden, auch mit einer anderen Rhetorik oder besser Antirhetorik. Doch das »Minculpop« konnte die Anthologie nicht akzeptieren. Die erste Auflage von 1942 wurde beschlagnahmt. Sie mußte neu gedruckt werden, ohne die Texte von Vittorini und mit einem neuen Vorwort von Emilio Cecchi, das akademischer und vorsichtiger war, weniger enthusiastisch und insgesamt kritischer, »literarischer«.
Aber auch so beschnitten fand Americana viele Leser und brachte eine neue Kultur hervor. Auch ohne die Seiten von Vittorini wirkte der Aufbau, die Struktur der Anthologie wie eine Rede. Die Montage war die Botschaft. Sogar die höchst anfechtbare Art, wie die Amerikaner übersetzt waren, erzeugte einen neuen Sinn für die Sprache. Zehn Jahre später, 1953, sollte Vittorini sagen, er habe die Jugend nicht durch das beeinflußt, was er übersetzt hatte, sondern durch die Art, wie er es übersetzt hatte.
Schon 1932 hatte Pavese anläßlich von O. Henry geschrieben, Amerika sei wie Italien eine Land mit Dialekten. Aber im Unterschied zu Italien hätten die Dialekte sich in Amerika gegen die Sprache der herrschenden Klasse durchgesetzt, und die amerikanische Literatur habe das Englische zu einer neuen Volkssprache verwandelt. Dazu paßt, daß Pavese zur Übersetzung einiger Stellen von Faulkner auf den piemontesischen Dialekt zurückgegriffen hatte. Eine seiner Ideen war, daß es eine Affinität zwischen dem amerikanischen Mittelwesten und Piemont gebe. Ein weiteres Mal also Gramscis Idee des »National-Populären«, nur wird diesmal die Sprache nicht im Arno gewaschen, sondern im Mississippi.
(Sprechen wir hier nicht von simpler Pidginisierung, sondern besser von Kreolisierung.)
So kämpfte die Generation, die Pavese und Vittorini gelesen hatte, im Partisanenkrieg, oft in den kommunistischen Brigaden, feierte die Oktoberrevolution und die charismatische Figur von »Väterchen Stalin« und blickte zugleich fasziniert und obsessiv auf ein Amerika als Inbild und Inbegriff von Hoffnung, Erneuerung, Fortschritt und Revolution.
Vittorini und Pavese waren bei Kriegsende reife Erwachsene, fast vierzigjährig. Die zweite Generation meines Freskos umfaßte dagegen Jugendliche, die in den zwanziger Jahren geboren waren. Viele von ihnen erreichten die Volljährigkeit am Ende des Krieges als Marxisten.
Ihr Marxismus war nicht der von Vittorini und Pavese, der vollkommen identisch mit dem Befreiungskampf und dem Abscheu vor den faschistischen Diktaturen war, mehr ein Gefühl allgemeiner Brüderlichkeit als eine bestimmte Ideologie. Für die zweite Generation war der Marxismus eine Praxis der politischen Organisation und des philosophischen Engagements. Ihr Ideal war die Sowjetunion, ihre Ästhetik der sozialistische Realismus, ihr Mythos die Arbeiterklasse. Politisch in Gegnerschaft zu Amerika als ökonomisch-politischem System, sympathisierte sie mit verschiedenen Aspekten der amerikanischen Sozialgeschichte, mit dem »wahren Amerika«, unter dem sie das der Pioniere und der ersten anarchischen Opposition verstand, das »sozialistische« Amerika eines Jack London und eines John Dos Passos.
Gerade deshalb hat die offizielle marxistische Kultur sogar in den schärfsten Zeiten des
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