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Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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irgendwo gefunden und mir notiert, ohne jedoch (damals) zu wissen, daß Silesius sich auch mit der Rose befaßt hatte. Mithin ist dies ein schöner Fall von komplizierter Dreiecks-Beeinflussung, aber ein direkter Einfluß lag nicht vor.
    Ein weiteres Borges-Thema, das hier zitiert worden ist, ist das des Golems. Ich habe es im Foucaultschen Pendel benutzt, weil es zum okkultistischen Klimbim gehört, aber meine direkte Quelle war natürlich Meyrink, um nicht von dem Film zu reden, und gleich danach kamen die kabbalistischen Texte, die ich bei Gershom Scholem gefunden hatte.
    In diesen Tagen ist dargelegt worden, daß viele Ideen, an denen Borges gearbeitet hat, ursprünglich von Peirce und Royce entwickelt worden sind. Ich glaube, wenn man die Namenregister sämtlicher Werke von Borges durchgeht, wird man weder Peirce noch Royce darin finden. Dennoch ist es sehr gut möglich, daß Borges die betreffenden Einflüsse durch andere Autoren vermittelt bekommen hat. Ich habe einige Erfahrungen, die ich vermutlich mit all denen teile, die sehr viele Bücher besitzen (bei mir sind es inzwischen rund vierzigtausend, verteilt auf Mailand und meine anderen Wohnungen), und ich betrachte eine Bibliothek nicht nur als einen Ort zum Aufbewahren schon gelesener Bücher, sondern vor allem als ein Magazin für Bücher, die man eines Tages lesen will, wenn einem danach ist. Nun kann es jedoch passieren, daß man jedesmal, wenn einem ein noch nicht gelesenes Buch unter die Augen kommt, einen Gewissensbiß verspürt.
    Eines Tages entschließt man sich endlich, vielleicht um etwas über ein bestimmtes Thema zu erfahren, eines der vielen nie gelesenen Bücher aufzuschlagen, man beginnt darin zu lesen, und plötzlich stellt man fest, daß man es schon kennt. Was ist da geschehen? Es gibt die mystischbiologische Erklärung, nach der mit der Zeit, wenn man die Bücher oft genug herausgenommen, abgestaubt und wieder zurückgestellt hat, etwas von ihrem Wesen durch die Fingerspitzen eingesickert und bis in unseren Kopf vorgedrungen ist. Es gibt die Erklärung des zufälligen, aber fortgesetzten scanning: Wenn man die Bücher oft genug zur Hand nimmt und neu ordnet, bleibt es nicht aus, daß man dann und wann einen Blick hineinwirft; auch wenn man ein Buch nur umstellen wollte, liest man ein bißchen darin, heute eine Seite, ein paar Wochen später eine andere, und schließlich hat man einen Großteil davon gelesen, wenn auch nicht kontinuierlich. Doch die wahre Erklärung ist eine andere: Zwischen dem Zeitpunkt, an dem das Buch in unsere Bibliothek gekommen ist, und dem Moment, in dem wir es aufschlagen, haben wir andere Bücher gelesen, in denen etwas enthalten war, was in jenem ersten Buch gestanden hat, und so entdeckt man am Ende dieses langen intertextuellen Weges, daß auch jenes nicht gelesene Buch inzwischen zu unserem geistigen Erbe gehört und uns vielleicht sogar tief beeinflußt hat. Ich glaube, so ist es bei Borges mit seinen Beziehungen zu Peirce und Royce gewesen. Und wenn das ein Einfluß ist, dann jedenfalls kein direkter.
    Zum Thema des Doppelgängers: Warum habe ich dieses Motiv in der Insel des vorigen Tages verwendet? Weil Emanuele Tesauro in seinem Cannochiale aristotelico sagt, wenn man einen barocken Roman schreiben wolle, sei der Doppelgänger obligatorisch. Um Tesauros Regeln zu befolgen, habe ich zu Beginn des Romans den Zwillingsbruder eingeführt, und dann wußte ich nicht, was ich mit ihm anfangen sollte. Nach einer Weile fand ich doch eine Möglichkeit, ihn zu verwenden. Aber hätte ich ihn auch eingeführt, wenn ich (jenseits der Anregung von
    Tesauro) nicht auch vom Thema des Doppelgängers bei Borges beeinflußt gewesen wäre? Und was, wenn ich statt dessen an den Doppelgänger bei Dostojewski gedacht hätte? Und wenn Borges von Tesauro beeinflußt worden wäre, womöglich durch andere barocke Autoren?
    Bei den Spielen mit Intertextualität und Einflüssen muß man sich immer hüten, die simpelste Lösung zu wählen. Jemand von Ihnen hat dieser Tage an die Stelle bei Borges erinnert, wo er von einem Affen spricht, der blindlings auf die Tasten einer Schreibmaschine haut und am Ende die Divina Commedia geschrieben hat. Bedenken Sie aber, daß das Argument, wenn man Gott leugne, müsse man annehmen, daß die Erschaffung der Welt so vonstatten gegangen sei wie das Tun jenes Affen, unzählige Male von den christlichen Fundamentalisten im 19. Jahrhundert (und später) gegen die Evolutionstheorie und die Theorien der

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