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Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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diesen Prämissen begibt sich Longinos auf seine Suche nach der erhabenen Photosynthese, die das Gefühl des Erhabenen produziert: Er zeigt, wie Homer, um dem Göttlichen Größe zu verleihen, durch eine wunderbare Hypotypose das Gefühl einer kosmischen Ferne erzeugt und wie er dieses Gefühl der kosmischen Ferne durch eine in die Länge gezogene Beschreibung physischer Distanzen wiedergibt; er beobachtet, wie für Sappho das innere Pathos nur dargestellt werden kann, indem sie eine Schlacht der Augen, der Ohren, der Zunge und der Haut in Szene setzt; er konfrontiert einen Schiffbruch bei Homer mit einem bei Arat von Soloi, wobei im zweiten Fall die Nähe des Todes durch die bloße Wahl einer Metapher (»Nur eine dünne Planke trennt sie vom Hades«) gleichsam anästhesiert wird, während bei Homer der Hades ungenannt und dadurch um so drohender bleibt. Er studiert die Strategien der Erweiterung und der Hypotypose, er untersucht das Theater der rhetorischen Figuren, der Asyndeta, der Sorites, der Hyperbata, und wie Konjunktionen die Rede ermatten lassen und Polyptota sie stärken und Tempuswechsel sie dramatisieren.
    Man denke nun aber nicht nur an eine Reihe von Stilanalysen. Longinos beschäftigt sich auch mit der Gegenüberstellung und der Vertauschung von Personen, mit dem Übergang von einer Person zur anderen, mit der Art, wie der Autor sich an den Leser wendet oder wie er sich mit einer Person identifiziert, und mit der Grammatik dieser narrativen Verfahren. Er vernachlässigt weder Umschreibungen noch sprachliche Idiotismen, noch Metaphern, Hyperbeln und Analogien. Es ist eine ganze rhetorisch-stilistische Maschinerie mit Erzählstrukturen, Stimmen, Blickwinkeln und Tempora, die er bei der Arbeit besichtigt, indem er Texte analysiert und vergleicht, um die Strategie des Erhabenen freizulegen und sie unserer Bewunderung zu überlassen.
    Man könnte meinen, nur simple Gemüter fallen in Ekstase, während Longinos die Chemie ihrer Leidenschaften kennt und gerade deswegen um so mehr genießt.
    In Paragraph 39 nimmt er sich vor, die »kompositorische Harmonie im Gefüge der Wörter« zu behandeln, eine Harmonie, die nicht bloß natürliche Anlage zur Gewinnung von Überzeugung und Vergnügen ist, sondern auch ein »wunderbares Instrument der großen, von Leidenschaft erfüllten Rede«. Longinos weiß (aufgrund alter pythagoreischer Tradition), daß die Flöte bei den Zuhörern Leidenschaften erzeugt und sie außer sich geraten läßt wie lauter rauschhaft verzückte Tänzer, auch wenn sie ganz unmusikalisch sind, er weiß, daß die Klänge der Kithara, die für sich allein bedeutungsleer sind, eine betörende Wirkung ausüben. Aber er weiß auch, daß die Flöte ihre Wirkung durch den Rhythmus erzielt, mit dem sie »den Hörer zwingt, in ihrem Takt zu schreiten«, und daß die Kithara »durch den Wechsel der Töne und ihren harmonischen Zusammenklang« auf die Seele einwirkt. Was er erklären will, ist nicht die Wirkung, die für jeden offenkundig ist, sondern die Grammatik ihrer Erzeugung.
    So analysiert er, als er zur verbalen Harmonie übergeht, »die mit dem Ohr auch die Seele einfängt«, einen Satz des Redners Demosthenes, der ihm nicht nur bewundernswert, sondern erhaben vorkommt, nämlich: »Dieses Dekret hat die Gefahr, die über der Stadt hing, weiterziehen lassen wie eine Wolke.« Und er schreibt:
    Hier ist der Gedanke nicht weniger wichtig als die Harmonie. Der ganze Satz ist nämlich in daktylischen Rhythmen ausgedrückt, den edelsten und am besten geeigneten, Größe zu erzeugen, weshalb sie charakteristisch für das heroische Versmaß sind, das schönste, das wir kennen. Versuche einmal, die Wörter nach Belieben umzustellen: »Dieses Dekret hat wie eine Wolke die Gefahr weiterziehen lassen, die über der Stadt hing«, oder versuche auch nur eine einzige Silbe zu unterdrücken, indem du etwa sagst, »... weiterziehen lassen wie Gewölk«, und du wirst begreifen, wie sehr die Harmonie mit dem Erhabenen zusammenklingt. Tatsächlich hat die Wortgruppe »wie eine Wolke« (raonep ve^o^) einen langen ersten Fuß, der sich in vier Takten bemißt; wenn du jedoch eine Silbe unterdrückst, so daß »wie Gewölk« (wo ve^o^) herauskommt, verstümmelst du durch die Verkürzung sofort die Größe. Fügst du umgekehrt eine Silbe hinzu und sagst:
    ». weiterziehen lassen gleichwie eine Wolke«, dann sagst du zwar dasselbe, aber es hat nicht dieselbe rhythmische Kadenz, denn eine Verlängerung der letzten Takte

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