Die Bücher von Umber, Band 3: Das Ende der Zeit
30 Zentimeter unterhalb des Randes begann, blubberte und fiel wieder in sich zusammen wie schwach köchelnder Haferschleim. »Die ⦠stachelige Nuss?«, fragte Hap.
Umber grinste. »Was sonst?« Er legte die Arme um den Kübel, beugte sich hinein und schnüffelte, die Nase nur wenige Zentimeter von der Erde entfernt.
»Da!«, quietschte Hap. Er zeigte auf eine Stelle neben Umbers rechter Hand, wo etwas aus der Erde hervorragte. Es war blass, beinahe weiÃ, glitzernd und voller Erde, und es bewegte sich mit der geduldigen, glibbrigen Langsamkeit einer Schnecke. »Was ist das?«, fragte Hap.
»Eine Wurzel, nehme ich an.« Umber nahm das Objekt aus unmittelbarer Nähe in Augenschein.
Sie sahen eine Minute lang zu, wie die Wurzel an der Seitenwand hochkroch und so mehr und mehr von ihrer Länge offenbarte. Sie erreichte den Rand des PflanzgefäÃes, überwand ihn und kroch an der AuÃenseite wieder herunter. »Beeindruckend«, sagte Umber. »Ich bin gespannt, was daraus wird.« Hap war sich nicht so sicher, ob er das wissen wollte.
»WeiÃt du was?« Umber setzte sich auf den Terrassenboden und stützte seine Ellenbogen auf die Knie. »Wir bleiben hier sitzen und beobachten dieses neue Wunder, während ich dir von meinen Träumen erzähle.«
Hap lieà sich in der gleichen Haltung neben Umber nieder, hielt aber etwas mehr Abstand zu der unheimlichen Wurzel.
»Es waren eigentlich nicht so sehr Träume, eher Erinnerungen«, begann Umber. »Vor meinem geistigen Auge liefen Szenen aus meinem Leben ab, so als wäre ich wieder dort. Seit ich in dieser Welt angekommen bin, habe ich mich noch nie so deutlich an jene Zeit erinnert. Wahrscheinlich ist das eine Nebenwirkung der Elatia. Andererseits frage ich mich, ob vielleicht der geheimnisvolle Pfeifer die Erinnerungen hervorgerufen hat.« Umber beugte sich vor, um die Wurzel besser sehen zu können, die sich am Kübel herabwand, und stieà sie prüfend mit dem Finger an. An seiner Fingerspitze blieb Schleim kleben, den er am Hosenbein abwischte. Die Wurzel hielt kurz inne, wie ein Wurm, den man angefasst hat, und setzte dann ihre tastende Reise fort.
Umbers Reise nach innen ging ebenfalls weiter. »Ich habe von Leuten geträumt, die ich kannte. Von den Freunden, die ich zurückgelassen habe. Ich sah ihre Gesichter und hörte ihre Stimmen.«
Hap sah Umber kritisch an und suchte nach Vorzeichen der schrecklichen Traurigkeit, die ihn so oft überkam. Als er keine bemerkte, atmete er befreit auf. »Hatten Sie eine Mutter und einen Vater?«
»Ja, natürlich. Aber sie sind gestorben, als ich noch ein sehr junger Mann war.«
»Welche Freunde haben Sie denn gesehen?«
»Vor allem einen. Seltsam, dass du nach meinen Eltern fragst, denn dieser Mann war wie ein Vater für mich. Sein Name war Jonathan Doane. Erinnerst du dich, dass ich dir schon einmal von ihm erzählt habe?«
Hap blickte zum Himmel auf und kramte in seiner Erinnerung. »Ja. Er war der Mann, der Sie um Hilfe bei seiner Idee gebeten hat.«
»Genau. Das Projekt Reboot ⦠die Erhaltung allen Wissens und aller Errungenschaften der Menschheit und dessen Speicherung auf dem Reboot-Computer, damit man die Zivilisation eines Tages bei Bedarf wieder aufbauen könnte. Das war Jonathans Einfall. Und von allen Leuten, die diese Mission hätten leiten können, wählte er mich aus. Hap, manchmal treffen sich zwei Menschen und haben unmittelbar einen Draht zueinander. So war es mit Jonathan und mir. Was für ein Genie er war! Er widmete sein ganzes Leben dem Studium der Technikgeschichte, besonders der Militärtechnik. Am Ende stellte er fest, das sich alles zu schnell entwickelte. Er meinte, die Fähigkeit, zu zerstören, würde in Kombination mit den übelsten Instinkten der menschlichen Natur eines Tages zu weltweitem Chaos und globaler Vernichtung führen.« Umber hielt inne und betrachtete die ersten Sterne des Abends. »Offenbar wusste er, wovon er sprach.« In Erinnerungen versunken klopfte er mit den Fingerknöcheln gegen sein Kinn.
»Was ist aus Jonathan geworden?«, wollte Hap wissen.
Umber seufzte und zuckte mit den Schultern. »Ich habe dir ja schon erzählt, dass ich selbst nur um Haaresbreite lebendig aus dem Ort herausgekommen bin, wo wir am Projekt Reboot gearbeitet haben. Doane war auch dort, als der Mob angriff und das Feuer
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