Die Bücher von Umber, Band 3: Das Ende der Zeit
ertönte eine kratzige Stimme vom Bett her.
Umber wandte sich Willy zu und erhob sich. »Willy, wir sindâs, Umber und Happenstance. Wir sind beide hier.«
Willy wackelte mit den Schultern und hob den Kopf. Umber schob ihm ein weiteres Kissen in den Rücken. Dann führte er ein Glas an Willys Mund und lieà einen Schluck Wasser hineinlaufen.
»Warum hast du Nein gesagt, Willy?«, fragte Umber.
»Jetzt begreife ich. Der Junge ist empfindsam . Er hängt sein Herz an andere Menschen. Deshalb ⦠versagt er«, brachte Willy schwach hervor.
»Weil ich andere Menschen gernhabe? Was soll das denn heiÃen?«, rief Hap. In Anwesenheit seines Mörders und Schöpfers wurde er immer schnell wütend. Jetzt verwandelten sich die Gefühle, die Sophie plötzlich entfesselt hatte, ohne Umschweife in Wut.
»Fädenzieher dürfen keine Gefühle für andere entwickeln«, sagte Willy. Seine Worte waren fast tonlos. »Wir gehen ⦠ungerührt ⦠durch die Jahre ⦠sind gegenüber dem Leiden ⦠oder der Freude, die unsere Machenschaften erzeugen, gleichgültig ⦠Wir vertreiben uns die Zeit und verschwenden auf diejenigen, die wir quälen oder belohnen, nicht mehr Gedanken ⦠als ein Schachmeister auf seine Figuren.«
»Warum sollte ich so sein wollen?«, fragte Hap empört. »Du ekelst mich an!« Er spürte Umbers Hand auf seiner Schulter und schüttelte sie ab. Umber machte eine beschwichtigende Geste, um Hap zu beruhigen.
»Willy«, schaltete Umber sich ein, »willst du damit sagen, dass Hap wegen seiner Gefühle keine Filamente sieht? Wegen seiner Verbundenheit mit uns anderen?«
Willy nickte. »Er bleibt zu menschlich ⦠Ich verstehe ⦠das nicht. Die Signale haben mir gesagt, er würde stark sein ⦠mächtiger als ich und vielleicht sogar als jeder bisherige Fädenzieher ⦠fähig jene Welt zu retten ⦠Ich muss die Filamente falsch verstanden haben ⦠hätte niemals ein Kind auswählen dürfen, das war der Fehler ⦠zu rohe, zu wenig kultivierte Gefühle â¦Â«
»Das ist doch Unsinn.« Hap sprang von seinem Stuhl auf und trat in die Mitte des Zimmers. »Wenn dir das Schicksal der Menschheit so egal ist, was liegt dir dann an Umbers Welt? Du hast mich erschaffen, damit ich all diese Menschen rette. Warum machst du das, wenn es dir doch gleichgültig ist?«
Umber sah Hap zugleich beeindruckt und besorgt an. Er warf Willy einen neugierigen Blick zu; die Antwort interessierte ihn auch.
»Ah«, sagte Willy, »immerhin ist das Kind schlau. Du hast Recht, Happenstance. Ich habe etwas gefunden, das mir etwas bedeutet, und das hat meinen Niedergang besiegelt. Schau nur, wie teuer ich dafür bezahlen musste.« Er berührte mit einer Fingerspitze seinen Augenverband. »Aber ⦠ich habe dich nicht geschaffen, um all diese Menschen zu retten. Ich habe dich geschaffen, damit du einen rettest.« Mit einer zitternden Hand berührte er die Vorderseite seines Hemdes. Ein erschreckter Ausdruck verzerrte seinen Mund. »Das ⦠Das hatte ich nicht an!«
»Beruhige dich.« Umber tätschelte Willys Arm. »Wir haben dich gewaschen und dir saubere Kleider angezogen. Aber der Umhang und die Beinkleider, die du anhattest, sind hier.«
Willy seufzte erleichtert. »Und hast du ⦠meine Taschen durchsucht, Umber?«
»Natürlich nicht«, sagte Umber. Er zuckte mit den Schultern und nickte Hap sichtlich beschämt zu.
»Der Umhang ist gefüttert«, flüsterte Willy. »Darin ist etwas versteckt ⦠Man kann durch einen Schlitz hineingreifen, hier.« Mit bebender Hand klopfte er auf eine Stelle in der Nähe seines Herzens.
Umber nahm den Umhang von einem Haken an der Wand neben der Tür. Er war aus einem merkwürdigen silbrigen Material, so ähnlich wie Seide, verschmutzt und an der Brust blutverschmiert. Das Innenfutter war schwarz. Umber fingerte daran herum, bis er schlieÃlich die Hand in einen Schlitz stecken konnte. Hap fixierte Umbers Gesicht â zunächst runzelte er konzentriert die Stirn, während er im Futter suchte, dann hoben sich seine Augenbrauen und seine Lippen formten im Augenblick der Entdeckung ein O. Seine Hand kam mit einem flachen rechteckigen Gegenstand wieder zum Vorschein, der aus einem transparenten,
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