Die Büchse der Pandora
dass man jung und anziehend ist, nicht wahr?«
»Dein Gefühl für Anstand und Moral lässt einiges zu wünschen übrig. Du betrachtest diese Dinge von einem falschen Standpunkt aus.«
»Ich habe mich seit Jahren nicht mehr so gut amüsiert«, erklärte Tuppence schamlos. »Und übrigens, wie steht es mit dir? Ich habe dich in den letzten Tagen überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen. Steckst du nicht immerfort mit Marguerite Laidlaw zusammen?«
»Pflicht ist Pflicht«, erklärte Tommy und lächelte.
»Sie ist doch sehr reizvoll, nicht wahr?«
»Nicht mein Typ«, brummte Tommy. »Sie lässt mich vollkommen kalt.«
»Lügner!« Tuppence lachte. »Aber ich habe lieber einen Lügner zum Mann als einen Dummkopf.«
»Vielleicht müssen Ehemänner nicht unbedingt das eine oder das andere sein«, meinte Tommy.
Statt jeder Antwort warf sie ihm bloß einen mitleidigen Blick zu und zog sich zurück.
Im Pulk von Mrs Laidlaws Verehrern befand sich auch ein gewisser Hank Ryder, ein Mann ohne Titel, aber mit sehr viel Geld.
Mr Ryder stammte aus Alabama; er erkor vom ersten Augenblick an Tommy zum Freund und Vertrauten.
»Was für eine prachtvolle Frau!«, flüsterte er Tommy zu, indem er der schönen Marguerite mit demütigen Blicken folgte.
»Zum Platzen voll Kultur. La gaie France – unübertrefflich, wie? Wenn ich in ihrer Nähe bin, fühle ich, dass ich nichts als ein erster misslungener Versuch von unserem Herrgott bin, einen Menschen zu machen. Er hat wohl viel üben müssen, bevor er so ein Meisterstück wie dieses Prachtweib zu Stande gebracht hat.«
Ermuntert durch Tommys höfliche Zustimmung schüttete ihm Mr Ryder sein ganzes Herz aus.
»Eigentlich eine Schande, dass eine so entzückende Person Geldsorgen hat!«
»Hat sie die?«
»Und ob sie die hat! Ein komischer Kauz, dieser Laidlaw. Sie hat Angst vor ihm. Hat es mir selbst gesagt. Sie traut sich nicht, ihm ihre kleinen Extraausgaben zu gestehen.«
»Sind es kleine Ausgaben?«, fragte Tommy.
»Klein – wie man’s nimmt. Schließlich muss eine Frau sich anziehen, und je weniger sie anhat, desto teurer ist es. Und sie ist doch eine so hübsche Person; sie trägt nicht gern Kleider aus der vorigen Saison. Und Spielen kostet Geld – das arme Ding hat wirklich Pech mit den Karten. Gestern erst habe ich ihr fünfzig Pfund abgewonnen.«
»Am Abend vorher hat sie Jimmy Faulkner um zweihundert Pfund erleichtert«, bemerkte Tommy trocken.
»So? Das tröstet mich ein bisschen. Übrigens scheinen hier zu Lande recht viele falsche Banknoten in Umlauf zu sein. Ich habe heute Morgen ein ganzes Bündel Scheine zur Bank gebracht und ein Viertel davon war gefälscht und wertlos, wie mir der höfliche junge Mann hinter dem Schalter versicherte.«
»Das ist nicht gerade wenig! Sahen die Scheine neu aus?«
»Neu und knisternd, wie sie aus der Presse kommen. Ich denke, es waren die Scheine, mit denen mir Mrs Laidlaw ihre Schulden bezahlt hat. Wo sie die wohl her hatte? Wahrscheinlich von einem dieser liederlichen Kerle auf dem Rennplatz.«
»Ja«, sagte Tommy. »Höchstwahrscheinlich.«
»Für mich ist so ein feines Leben etwas ganz Neues, müssen Sie wissen. All diese vornehmen Damen und das übrige Theater! Hab erst vor Kurzem ein Vermögen gemacht und bin sofort rüber nach Europa gekommen, um das große Leben kennen zu lernen.«
Tommy nickte. Er dachte sich im Stillen, dass Mr Ryder mithilfe der schönen Marguerite das »große« Leben von seiner süßesten Seite kennen lernen würde – und zu einem gesalzenen Preis.
Jedenfalls hatte er nun zum zweiten Mal die Gewissheit, dass die falschen Banknoten in seiner nächsten Umgebung in Umlauf gesetzt wurden und dass allem Anschein nach Marguerite Laidlaw ihre Hand dabei im Spiele hatte. Am nächsten Abend erhielt er selbst den Beweis für diese Vermutung.
Es war in dem vornehmen kleinen Lokal, das Inspektor Marriot erwähnt hatte. Man tanzte dort, aber der eigentliche Anziehungspunkt lag hinter einer imposanten Doppeltür. Dort standen in zwei kleinen Räumen grün bezogene Spieltische, an denen allabendlich Riesensummen den Besitzer wechselten. Als Marguerite Laidlaw spät nachts vom Tisch aufstand, um das Lokal zu verlassen, drückte sie Tommy ein Bündel kleiner Banknoten in die Hand und sagte:
»Die nehmen so viel Platz weg, Tommy, mein Liebling! Lassen Sie sie doch wechseln, bitte! Gegen einen großen Schein, ja? Ach, meine süße kleine Handtasche, sie ist ganz dick von diesen Scheinen und zum
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