Die Büro-Alltags-Bibel
Nehmen Sie das Geschenk dankend an – und damit gut. Gemäß der Reziprozitätsregel sollte schließlich jeder Versuch, Sie auszunutzen, ebenfalls ausgenutzt werden.
Das ist aber nicht alles. Bei meinen Recherchen zur Psychotrickkiste von erfolgreichen Verkäufern und Verhandlern habe ich zum Beispiel noch den
Ankereffekt
, den
Framingeffekt
oder den
Zero-Price-Effect
gefunden. Und allesamt beweisen sie die schier unermessliche Bereitschaft des Menschen, sich beeinflussen und ausnutzen zu lassen. Vom Verhaltensökonomen Dan Ariely stammt etwa das folgende Experiment: Er versteigerte Weinflaschen. Nichts Besonderes. Zuvor allerdings ließ er seine Probanden die letzten beiden Ziffern ihrer Sozialversicherungsnummer auf einen Zettel schreiben und fragte sie, ob sie bereit wären, den Wein zu diesem Preis zu kaufen. Man sollte meinen, dass dieser völlig willkürliche Preis keinerlei Reflexe auslösen würde. Denkste. Studenten mit einer kleinen Endziffer waren bereit, im Schnitt 8,64 Dollar für den Rebsaft zu bezahlen; wer hingegen zuvor eine große Zahl notiert hatte, gab für den Wein im Schnitt 27,91 Dollar aus. Ein klassisches Beispiel für den Ankereffekt: Um den Wert einer Sache bemessen zu können, sucht unser Gehirn nach Vergleichswerten. Findet es diese nicht, reicht ihm zur Not auch eine völlig aus der Luft gegriffene Zahl als Bezugspunkt. Dass dem so ist, bewiesen auch die Psychologen Clayton R. Critcher und Thomas Gilovich: Gäste eines Restaurants mit dem Namen »Studio 97« gaben durchschnittlich acht Dollar mehr aus als die Gäste eines Restaurants namens »Studio 17«.
Es geht noch weiter. Haben wir einen solchen Ankerpreis erst einmal im Kopf, rücken wir kaum noch davon ab. Eine Boulevardzeitung kostet unter einem Euro (früher 50 Pfennig), eine Tafel Schokolade rund einen Euro, ein Handy 200 Euro (außer es ist von Apple). Kostet ein Produkt nun plötzlich mehr, finden die meisten das unglaublich teuer und lassen es tendenziell liegen – es sei denn, der Händler weist einen saftigen Rabatt in Euro und Cent aus. So detailliert muss er aber gar nicht vorgehen, wie Devon DelVecchio von der Universität Miami bekräftigen konnte. Sobald der Rabatt in Prozent dargestellt wird und der Kunde nicht so schnell ausrechnen kann, wie hoch der Nachlass tatsächlich ist, bleibt bei dem nur noch hängen:
Es ist wesentlich billiger als sonst.
Und das unabhängig von seinem eigentlichen Ankerpunkt. Aus demselben Grund war es zum Beispiel ein kluger Schachzug von der Baumarktkette Praktiker, den Slogan »20 Prozent auf alles« zu erfinden statt einem schnöden »Nur noch 50 Euro«. Dieser sogenannte Framingeffekt funktioniert laut Studien bei rund einem Drittel aller Menschen.
Ein weiterer klassischer Psychotrick ist, das Angebot mit einervermeintlichen Gratis-Dreingabe zu koppeln, ein sogenanntes Lockvogelangebot, allerdings ein juristisch nicht zu beanstandendes. Der Online-Buchhändler Amazon hat damit immer wieder gute Geschäfte gemacht: Ab einem bestimmten Bestellwert gab es den Warenversand für die Kunden gratis. Also bestellten die Leute mehr Bücher als sie eigentlich brauchten, nur um Portokosten zu sparen. Amazon verdiente derweil kräftig am Buchumsatz. Zero-Price-Effect heißt das im Fachjargon. Verrückt, aber wahr: In Frankreich machte der Buchhändler anfangs den Fehler, für den Versand einen symbolischen Franc zu verlangen. Fatal, denn so verpuffte der gesamte Effekt. Die Leute bestellten nur, was sie wirklich wollten.
Was das für Sie im Job bedeutet? Eine ganze Menge. Die Erkenntnisse aus der Konsumentenforschung lassen sich auf nahezu alle Verhandlungen mit Kunden (oder Gehaltsverhandlungen mit Ihrem Chef) übertragen. Von Ariely lernen Sie, wie wichtig es ist, mit Ihrem Angebot einen möglichst hohen Wert zu verankern. Bei jedem Auftakt sollten Sie also ein möglichst hohes Einstiegsgebot anpeilen, sonst laufen Sie Gefahr, dass Ihr Kunde mit Ihrer Arbeit nur »billig« assoziiert (»zu teuer« wäre jedoch auch nicht gut). Von DelVecchio wiederum können Sie sich merken: Preisnachlässe beziehungsweise -steigerungen drücken Sie am besten prozentual aus. So rücken Sie das Angebot weg vom Ankerpunkt und der wahre Aufschlag wird verschleiert. Und wenn Sie es schaffen, das Ganze mit einer Dreingabe zu garnieren (Umsatzsteigerungen oder ein Kosteneinsparungskonzept etwa), dann provozieren Sie womöglich noch einen Mitnahmeeffekt. Und sollten Ihnen all diese Vorschläge nicht gefallen,
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