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Die Büro-Alltags-Bibel

Die Büro-Alltags-Bibel

Titel: Die Büro-Alltags-Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Mai
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erzielt oder aber Erleichterung für sein schlechtes Gewissen. Damit lässt sich dann sogar erklären, warum Menschen am liebsten über sich, ihre Taten, Erfolge und Erlebnisse reden: Womöglich tun sie dies nur, weil sie nach Wertschätzung gieren, nach Zuwendung, Liebe – und manchmal auch nach Sex.
    Freilich: Es gibt längst auch Psychologen, die von dieser Idee abrücken. Sie sagen: Ja, es wird viel manipuliert, aber nicht alles istbewusste Beeinflussung. Womöglich war ihnen die erste Hypothese auch nur zu beängstigend. Unbestreitbar ist aber, dass wir alle, wenn wir schon nicht manipulieren, dann zumindest mit anderen regelmäßig verhandeln. Mehrmals am Tag. Daheim. Mit Freunden. Mit Kollegen im Büro. Mal geht es um den nächsten Urlaub, mal darum, wer den Müll rausbringt. Im Job geht es um prestigeträchtige Projekte, um Informationen, um mehr Freiraum und Verantwortung, um mehr Gehalt, um Anerkennung und Respekt, um Sympathie oder Macht. Und wenn wir ganz ehrlich sind, wird dabei nicht immer nur gefeilscht, sondern sehr oft auch getrickst.
    Kennen Sie die Harvard-Methode?
    Kein Konzept hat Verhandlungsstrategen in den vergangenen 20 Jahren mehr inspiriert als das Konzept des
Win-win
– also ein dauerhaftes Ergebnis, das beide Parteien zufriedenstellt. Beide gewinnen, das Glück wird verdoppelt – Win-win. Mit dieser Aussicht lassen sich Produkte verkaufen, Dienstleistungen vermarkten, sogar Mitarbeiter entlassen: Wir schmeißen dich raus, damit du einen Job findest, der besser zu dir passt, während wir derweil Kosten sparen. Ist doch super für uns beide? Oder auch nur drollig.
    Dieses Doppel-Satz-und-Sieg-Spiel geht auf die sogenannte
Harvard-Methode
zurück. Sie wurde in den frühen Achtzigerjahren an der gleichnamigen Universität von dem Rechtswissenschaftler Roger Fisher entwickelt. Später gab Bruce Patton zusammen mit Fisher und Ury Wiliam ein Buch dazu heraus, das ein Bestseller wurde. Dabei ist die »Harvard-Methode« auf den ersten Blick recht simpel und wird in Teilen von den meisten Menschen unbewusst bei Verhandlungen angewandt. Sie besteht aus den vier Grundsätzen:
Menschen und Probleme werden getrennt voneinander behandelt.
Verhandle Interessen – nicht Positionen.
Entwickle Optionen, die für beide Seiten von Vorteil sind.
Das Ergebnis muss auf objektiven Kriterien beruhen.
    Mit Punkt 4 ist gemeint, dass beide Parteien das Resultat ihrer Verhandlungen – und sei es nur ein Kompromiss – als fair empfinden. Das Lehrbuchbeispiel dazu geht so: Zwei Kinder sollen einen Kuchen teilen. Das ebenso gerechte wie neutrale Verfahren wäre: ein Kind teilt den Kuchen, das andere darf sein Stück zuerst auswählen. So kann sich keines hernach über eine ungerechte Teilung beklagen.
    Der Kern der Harvard-Strategie sind die beiden ersten Punkte. Sie sollen dafür sorgen, dass jede Verhandlung sachlich bleibt, weil das – jedenfalls theoretisch – zu besseren Ergebnissen führt. Entscheidend für den optimalen Ausgang solcher Verhandlungen sind nämlich nie die gegenseitigen Forderungen, sondern die wahren Interessen (oder Motive) dahinter. Nur wer diese erkenne, könne ein optimales und für beide Seiten dauerhaft befriedigendes Ergebnis erzielen – was zur Hälfte schon im eigenen Interesse liegt.
    Klingt noch zu kryptisch? Okay, hier ein Beispiel: Stellen Sie sich zwei Schwestern und eine Orange vor. Beide wollen die Frucht haben. Also argumentieren sie sich erst ein wenig warm, gefolgt von gebremstem Gezicke, etwas Keifen, etwas Schmollen, Heulen, Schreien. Zum Schluss verhandeln sie schließlich miteinander – und einigen sich auf einen klassischen Kompromiss: Die Schwestern teilen die Orange in zwei gleich große Hälften. Die erste Schwester schält nun ihre Hälfte, isst das Fruchtfleisch und schmeißt die Schale weg. Die andere schält die Orange ebenfalls, schmeißt aber das Fruchtfleisch weg und benutzt die Schale zum Backen. Irgendwie dumm gelaufen: Hätten beide vorher nicht über ihre Forderungen (»Ich will die Orange haben!«) verhandelt, sondern über ihre Interessen (»Ich will damit backen.« »Ich will sie essen.«) gesprochen, wären sie zu dem besseren Ergebnis gekommen: eine bekommt das gesamte Fruchtfleisch, die andere die Schale der ganzen Orange.
    Und genau das ist das Grundproblem von Verhandlungen. Wir sehen immer nur die gegensätzlichen Forderungen und den Konflikt der unterschiedlichen Positionen statt die wahren beiderseitigen Nöte und Wünsche. Darüber ließe

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