Die Büro-Alltags-Bibel
wissen Sie jetzt wenigstens, was eine Reziprozitätsfalle oder ein Kontrasteffekt ist und wie Sie beidem nicht mehr so leicht auf den Leim gehen.
Pragmatische Ratschläge für besseres Verhandeln
Wenn Sie an dieser Stelle klassische Ratgeberprosa vom Typ »Wie verkaufe ich einem Beduinen eine Sandbank« erwarten, muss ich Sie enttäuschen. Bücher dieses Formats gibt es schon und von den meisten lernt man eigentlich nur, wie man Bücher über einenblöden Titel verkaufen kann. Ich möchte mich stattdessen darauf konzentrieren, was man aus dem bisher Beschriebenen für Verhandlungen ableiten sowie aus der Geschichte lernen kann. Die Menschheitsgeschichte ist schließlich voll von Anekdoten geschickter Verhandlungsstrategen, großartiger Blender, Trickser und dreister Dealmaker. Hier eine kleine Auswahl:
Verunsichern. Chuzpe siegt. Je dreister eine Forderung gestellt und je heftiger sie verfolgt wird, desto mehr verunsichert sie die Gegenseite und zwingt sie in die Defensive. Die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher erreichte mit dieser Strategie 1984 bei langwierigen Verhandlungen zur Finanzierung der EU den sogenannten Britenrabatt. Mit dem heute legendären Satz »I want my money back« verband die eiserne Lady die ebenso eiserne Forderung, eine große Menge des von den Briten eingezahlten Geldes auch wieder ausbezahlt zu bekommen. Das war zwar unverschämt, aber wirkungsvoll. Die völlig konsternierten damaligen E U-Kollegen gaben ihrem Ansinnen nach, weshalb der Britenrabatt bis heute gilt und erst 2013 deutlich reduziert werden soll.
Verwirren. Wenn du nicht überzeugen kannst, verwirre! Die Taktik nutzte der damalige U S-Präsident George W. Bush, um den Krieg gegen den Irak zu rechtfertigen. Angeblich gab es Geheimdienstberichte, die die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen belegten. Zwar gab es immer wieder Zweifel an der Stichhaltigkeit dieser Berichte. Doch nutzten Bush und sein damaliger Außenminister Colin Powell die Verwirrung darüber, was denn nun stimmt und was nicht, um die Invasion in den Irak zu begründen. Später stellte sich heraus: alles gelogen. Schon zum Zeitpunkt der Verkündigung hatte Powell schwere Zweifel am Geheimdienstmaterial, er habe »bestenfalls« Indizien gesehen, die in Richtung des gewünschten Ergebnisses interpretiert worden seien.
Vertauschen. Wer angegriffen wird, rechtfertigt sich und sucht nach einer guten Begründung – was doch immer wie ein Schuldeingeständnis wirkt. Effektiver ist, den Angriff ins Leere laufen zu lassen oder das Thema zu wechseln. Bevor Lee Iacocca 1978 Chef von Chrysler wurde, hatte er sich gegen jeglichestaatlichen Eingriffe und für eine liberale Marktordnung ausgesprochen. Doch kaum hatte er bei Chrysler das Ruder übernommen, forderte er eine staatliche Kreditbürgschaft in Milliardenhöhe, um einen drohenden Konkurs abzuwenden. Die Journalisten rieben ihm diesen Sinneswandel genüsslich unter die Nase. Doch Iacocca antwortete nur: »Ich fühle mich grässlich, meine Ideale zu verleugnen. Aber sollen denn so viele Leute ihren Arbeitsplatz verlieren?« Danach war das Thema vom Tisch.
Verführen. Zehn Jahre dauerte der Trojanische Krieg. Er brachte den Griechen nur Verluste und die Schmach, selbst mit einem gigantischen Heer die Stadt Troja nicht einnehmen zu können. Die Griechen bereiteten schon ihren Rückzug vor, als dem listenreichen Odysseus die Idee mit dem Pferd kam: Kaum ein Mensch kann einem Geschenk, einem Kompliment, einem Gunstbeweis widerstehen. Also schenkten die Griechen den Trojanern ein hölzernes Pferd, das der Athene geweiht war und eine Art Trophäe des trojanischen Sieges sein sollte. Im Inneren der Statue hielten sich jedoch griechische Elitekämpfer versteckt. Der Rest ist Geschichte: Siegestrunken und vor Eitelkeit erblindet, schleppten die Trojaner das Präsent in ihre Festung. In der Nacht öffneten die Griechen von innen die Stadttore und Troja wurde dem Erdboden gleichgemacht.
Verdrehen. Vermeintliche Schwäche kann auch Stärke sein, so wie Angriff manchmal die beste Verteidigung ist. 1984 sollte es zu einer zweiten Fernsehdebatte zwischen dem amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan und seinem Herausforderer Walter Mondale kommen. Im ersten T V-Duell hatte Reagan allerdings keine gute Figur abgegeben: Er hatte Fakten durcheinandergebracht und offensichtliche Konzentrationsmängel gezeigt. Seine Wahlkampfberater fürchteten nun, Mondale könnte das Alter Reagans zu seinem Vorteil nutzen.
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