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Die Büro-Alltags-Bibel

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Titel: Die Büro-Alltags-Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Mai
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Minderwertigkeitsgefühlen. Damit es erst gar nicht so weit kommt, raten Experten zu ganz unterschiedlichen Wegen. Der Psychologe Elliot Aronson sieht etwa inder geschickten Erzeugung des Gefühls von Scheinheiligkeit den effektivsten Weg, um Gewohnheiten zu verändern. Kein Witz. Offensichtlich ist es nämlich so, dass Menschen sich einer Sache viel mehr verschreiben und diese wirklich durchhalten, wenn sie das Gefühl haben, nicht nur ihren eigenen Vorsätzen untreu zu werden, sondern dies auch öffentlich bemerkt werden könnte.
    Aronson hat das selbst erlebt. Damals war er noch Professor an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz, und in jener Zeit spielte die Gefahr von AIDS in den Medien gerade eine große Rolle. Aronson machte sich deshalb Sorgen um seine Studenten. Das Unileben war aufregend, keine Frage. Auf dem Campus wurde viel geflirtet, es gab viele wechselnde Paare – und die hatten reichlich Sex. Aber eben ungeschützten, ohne Kondom. Also fragte sich Aronson, wie er es wohl anstellen könne, dass seine Studenten mehr auf ihre Gesundheit achten beziehungsweise mehr Kondome benutzen würden.
    Nun muss man dazu sagen, dass sich der Mann ungefähr sein ganzes Leben lang damit beschäftigt hat, wie man Menschen dazu bringt, ihr Verhalten grundlegend zu ändern. Die Erkenntnisse, die er und seine Wissenschaftskollegen dabei gewonnen haben, fließen regelmäßig in Empfehlungen ein, wie man etwa gute (und auch wirksame) Neujahrsvorsätze trifft, dauerhaft abnimmt oder ein besserer Mensch wird. Was also machte Aronson mit seinem AID S-Problem ?
    Nahezu reflexartig entschied sich der Psychologe zunächst für die Variante Abschreckung. Wie bei Anti-Raucher-Kampagnen dachte er, es sei eine gute Idee, seine Studenten mit möglichst schockierenden Bildern von AID S-Kranken und Fakten über diese Krankheit aufzurütteln. Er verteilte Flugblätter, hielt Konferenzen über die Risiken von ungeschütztem Sex. Und die Studenten waren tatsächlich geschockt. Dennoch stieg der Anteil derjenigen, die beim Beischlaf ein Kondom benutzten, anschließend von 17 Prozent auf 19 – also praktisch nicht.
    Deshalb wechselte der Prof seine Strategie und setzte nun auf positive Konditionierung. Er dachte sich: Wenn die Studenten in Pornofilmen sehen, dass die Darsteller mit Lust und Wonne Kondome überstreifen, nutzen sie diese vielleicht auch. Also verlegte Aronson seinen Forschungsfokus in die Rotlichtszene, besuchte zwielichtigeVideoverleiher, sah sich zig Pornofilme an und fand: nichts Brauchbares. Aus lauter Frust entschied er sich, selbst einen Sexstreifen zu drehen. Mitten im Vorspiel kramte der Darsteller ein Kondompäckchen hervor, das die Darstellerin lasziv mit ihren Zähnen öffnete, um ihm den Gummi anschließend übers Gemächt zu stülpen. Der Rest blieb wie eh und je: Bang-bang-uh-uuuh-ah-aaah. Alles recht sexy, wie Aronson fand. Nur das Publikum sah das anders: Die Studenten verstanden zwar die Botschaft, probierten danach aber allenfalls einmal die Gummi-Nummer aus. Der Film war ein Flop.
    Also wählte Aronson einen dritten Weg: Er machte die Studenten zu Botschaftern. Genauer gesagt, warb er Studenten an, Videos zu drehen, die zum Beispiel Schüler über die Gefahren von AIDS aufklären sollten. Oder er ließ sie Vorträge darüber halten, mit der Begründung, damit womöglich Leben zu retten. Kurzum: Er entwickelte eine Kampagne, bei der die Studenten eine Botschaft verkünden mussten, die sie selbst so vielleicht gar nicht lebten. Wissenschaftlich ausgedrückt könnte man auch sagen: Er erzeugte bei seinen Probanden
kognitive Dissonanzen
. Zu Deutsch: ein schlechtes Gewissen. Das wirkte. Wer öffentlich für Safer Sex warb, gleichzeitig aber keine Kondome nutzte, kam sich heuchlerisch vor – und griff zum Verhüterli. Auch sechs Monate später, als Aronson seine Probanden noch einmal interviewen ließ, stellte sich heraus, dass bis zu 70 Prozent der Studenten, die die Videos gedreht hatten, jedes Mal Kondome benutzten, wenn sie Sex hatten. Ein voller Erfolg.
    Damit dieser psychologische Trick zur Verhaltensänderung jedoch funktioniert, sind zwei Dinge essenziell: Die Menschen müssen glauben, dass ihre Botschaft (ihr Vorsatz, ihr Ziel) wichtig und richtig ist – und sie müssen spüren, dass ihre Scheinheiligkeit negative soziale Auswirkungen haben könnte. Andernfalls ist ihnen das ziemlich schnuppe.
    Ich gebe zu, dass es nicht jedem liegt, mittels öffentlicher Mitteilung sein

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