Die Büro-Alltags-Bibel
jedoch erst durch Robert Dilts, den Mitbegründer des Neuro-Linguistischen Programmierens, kurz NLP genannt. Auch er stellte fest, dass Kreativität leichter entsteht, wenn verschiedene Persönlichkeitstypen zusammenwirken. Walt Disney nannte sie
den Träumer,
den Realisten,
den Kritiker.
Angeblich soll es in Disneys Büro drei Sessel gegeben haben, die er exakt so nutzte – einen zum Träumen, einen zum Planen, einem zum Verbessern. Die Aufgabe des Träumers ist es dann, möglichst bildhaft und visionär zu denken, ohne jedwede Denkverbote. Anschließend tritt der Realist auf den Plan und prüft, wie das Ganze umsetzbar wird. Konkret: Was müsste dazu unternommen werden? Was würde es kosten? Wen braucht man dazu? Danach erst darf der Kritiker ran. Wo der Realist noch pragmatisch fragt, ob die Idee machbar ist, analysiert der Kritiker kühl, ob sie sich auch lohnt. Den gesamten Prozess kann man wieder und wieder durchlaufen – bis der Träumer begeistert, der Realist überzeugt und der Kritiker zufrieden ist. Ob Disney dieses Trio jedes Mal gedanklich durchgespielt hat, bevor er etwas Neues ausprobiert hat, ist nicht überliefert. Vielleicht ist es nur eine Geschichte. Letztlich ist das aber unerheblich, denn die Masche funktioniert.
Der britische Psychologe und renommierte Lehrer für kreativesDenken, Edward de Bono, erweiterte dieses recht simple Modell sogar zu seiner sogenannten Sechs-Hüte-Methode. Er verdoppelte Disneys Perspektiven und ordnete jedem seiner Typen einen unterschiedlichen Blickwinkel zu: Der erste betrachtet die Fakten – nüchtern, analytisch, wertfrei. Der zweite ist emotional, intuitiv und bewertet diese Fakten. Der Skeptiker untersucht, wo unbedachte Risiken und Gefahren lauern. Soweit entspricht dies den Disney-Rollen. Hinzu kommen: der Optimist, der weitere Chancen sucht und formuliert. Der Kreative beflügelt dank seiner assoziativen Gedanken den Geist der anderen. Und der Dirigent ordnet schließlich alles, moderiert den gesamten Ablauf und entscheidet, was am Ende gemacht wird.
All diese Kreativtechniken haben letztlich eines gemein: Sie schärfen die Selbstwahrnehmung. Welche Rolle entspricht mir am ehesten? Wie kann ich mich im Team optimal einbringen? Oder: Welche Rolle fehlt dort noch? Wer seine optimale Funktion für die Gruppe erkennt, kann seine Stärken besser ausspielen und seine Defizite gezielt ausgleichen. Das ist entscheidend, da die Wahrscheinlichkeit für Teamversagen nachweislich sinkt, je kleiner die Kluft zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung der einzelnen Mitglieder ausfällt.
Um kreativer zu werden, können Sie sich allerdings auch eine andere Figur zum Leitbild nehmen: Don Quijote. Für den pensionierten Managementprofessor der Stanford Business School, James March, ist der tragikomische Windmühlenbezwinger die ideale Leitfigur für innovative Prozesse. »Wir leben in einer Welt, die realistische Erwartungen und klare Erfolge betont. Quijote aber bezog sich auf nichts davon«, sagt March. »Und trotz einer Fehlentscheidung nach der anderen hielt er an seiner Sichtweise und an seinen Bekenntnissen fest.« Das klingt ein wenig trotzig, nach Ignoranz und Arroganz. Auf jeden Fall klingt es nicht nach einem Ideal. Für March aber sind Pläne und angebliche Kausalitäten allenfalls dazu da, um Entscheidungen nachträglich zu legitimieren. Nichts davon sei wirklich sicher, und deshalb zeige das Beispiel Quijotes, dass komplexe Entscheidungen, die ja auch nichts anderes sind als Ideen, häufig weit weniger rational getroffen werden als viele behaupten. Oder kompakter formuliert: Kreativ werden bedeutet, alles infrage zu stellen und völlig atypisch zu denken.
March selbst entwickelte daraus 1972 zusammen mit Michael Cohen und Johan P. Olsen das sogenannte
Mülleimer-Modell
(das heißt wirklich so). Dessen Kernthesen lauten:
Begreifen Sie Ziele als Hypothesen. Jedes noch so hehre Ziel, jeder noch so ernsthafte Vorsatz ist letztlich veränderbar und damit flüchtig. Entsprechend sollen Individuen wie Organisationen spielerischer mit ihren Konzepten umgehen. Denn erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt.
Intuitionen sind real. Nicht reale Gefühle. March meint tatsächlich Realität. Schließlich ist nicht jede Wirklichkeit mit Kausalketten erklärbar. Wer aber an alle Entscheidungen mit klassischen Rechtfertigungsmechanismen herangeht, verhindert letztlich Innovationen. Intuition dagegen sei zwar ein Störfaktor, öfter aber auch der Schlüssel zu guten
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