Die Büro-Alltags-Bibel
Klorollen gewechselt werden beziehungsweise dem Nachfolger ein benutzbares WC hinterlassen wird und geschieht dies nicht, so sagt das:
Hier denkt jeder nur an sich.
Ein einziges Hauen und Stechen. Und da der Fisch vom Kopf stinkt, hausen in der Teppichetage vermutlich ebensolche Egomanen. Aber das ist, wie gesagt, nur eine Theorie. Fakt dagegen ist: Sollten der Chef, die Kollegen oder vielleicht auch mal ein Kunde überraschend in Ihr Büro schneien, bekommen die zwangsläufig einen ersten bis bleibenden Eindruck. Welchen – das hängt ganz von Ihnen ab.
Was Räume über ihre Bewohner verraten
Von den rund 17 Millionen Menschen, die in Deutschland in einem Büro arbeiten, bewohnen gut 33 Prozent ein Einzelbüro, 27 Prozent teilen sich die Arbeitswabe mit noch einem Kollegen, die Mehrheit von rund 40 Prozent aber sitzt in einem Mehrpersonen- oder Großraumbüro. Man sollte meinen, dass es dabei relativ uniform zugeht: Einheitsgrößen, Einheitsmöbel, Einheitsgedanken. Denkste. Nahezu 90 Prozent der amerikanischen Arbeitnehmer personalisieren ihre Büros oder Cubicals, haben Forscher der Eastern-Kentucky-Universität herausgefunden. Für Deutschland liegen zwar keine vergleichbaren Studien vor, aber das Ergebnis dürfte ähnlich ausfallen. Die Gründe dafür? Erstens: Gemütlichkeit. Vielen dient das Dekor in erster Linie als zusätzlicher Komfort. Umgeben von vertrauten Dingen fühlen sich Arbeitnehmer automatisch wohler und sind dadurch meist auch produktiver. Zugleich dokumentieren die persönlichen Gegenstände Anspruch und Ansehen – ob nun bewusst oder unbewusst. Fleiß, Loyalität, Kreativität, Organisationstalent, Erfolg – all das sind abstrakte und allgemein nur schwer messbare Größen. Weil das so ist, haben wir Menschen jedoch im Laufe der Evolution ein Sensorium dafür entwickelt, manche Charakterzüge, aber auch den Status von Personen an ziemlich banalen, dafür jedoch berechenbaren Größen festzumachen. Etwa an der Größe von Nachbars Auto, an der Attraktivität seiner Frau, am Einkommen ihres Mannes, dem Preis ihrer neuen Manolo Blahniks – oder eben an der Ausstattung der persönlichen Arbeitswabe. Gewissenhaftigkeit oder wie aufgeräumt ein Arbeitnehmer ist, wird in seinem Büro genauso sichtbar wie dessen Loyalität oder Leidenschaft für den Job. Oder was, glauben Sie, wird der Chef über jemanden denken, in dessen Zimmer er eine mit Nadeln gespickte Voodoo-Puppe findet, die ihm verdächtig ähnlich sieht?
Solche Indizien nimmt jeder von uns »binnen Sekundenbruchteilen wahr, sobald er einen Raum betritt«, sagt zum Beispiel der U S-Psychologe Samuel Gosling von der Universität Austin, Texas, der solche Zusammenhänge seit Langem untersucht und dazu auch mal wildfremde Leute in die Büros seiner Probanden schickt. Nicht der Geselligkeit wegen, sondern vielmehr, damit diese nach der Visite den Charakter des abwesenden Bewohners einschätzen.
Das Erstaunliche an solchen Experimenten ist: Die Fremden kamen der Wirklichkeit, beziehungsweise der Selbsteinschätzung, jedes Mal erstaunlich nahe, mehr noch: Sie beurteilten die Bürobewohner zwar nur anhand der herumstehenden Kaffeetassen, Papierstapel und Drehstühle, dennoch waren ihre Charakterisierungen zutreffender als die der besten Freunde, wie ein Kontrollexperiment zeigte. Nach zehn Jahren Forschung ist Gosling deshalb überzeugt: »Die Art, wie wir unsere Umgebung gestalten, spiegelt unser Inneres wider.« Wer etwa viele Bücher im Schrank hat, erscheint automatisch gebildeter – auch wenn die Bände ungelesen im Regel stehen. Wer Bilder aktuell angesagter Künstler an seine Wand hängt, wirkt kreativer und lebensfroher als der Kollege im kahlen Nachbarzimmer. Und wer im Büro Tischkalender, Telefon, Uhr und Laptop stets im Blick behält, scheint bestens organisiert – allerdings nur, wenn er auch daran denkt, in den zur Schau gestellten Planer ein paar Termine einzutragen. Jeder Raum, sagt Gosling, enthalte zwei grundsätzliche Objekttypen: Identitätskörper, die der Bewohner bewusst drapiert hat und mit denen er sich ausdrücken will, wie etwa Bilder, Schmuckstücke oder Trophäen – und Verhaltensrückstände, die unbewusst Rückschlüsse auf seinen Charakter zulassen, wie etwa eine vollgekritzelte Schreibtischunterlage mit Kaffeerändern oder schlicht: Unordnung auf dem Schreibtisch.
Eine der weltweit am meisten verbreiteten und gehassten Büroformen wurde im Jahr 2008 40 Jahre alt: das Cubical. 1968 stellte sein Erfinder
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