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Die Büro-Alltags-Bibel

Die Büro-Alltags-Bibel

Titel: Die Büro-Alltags-Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Mai
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Reservate und Sympathien ■ Was Räume über ihre Bewohner verraten ■ Warum Ordnung und Chaos sich nicht ausschließen müssen

    »Als Chef musst du ein Wolf im Wolfspelz sein.
    Wenn du als Chef beliebt bist,
    hast du schon irgendwas falsch gemacht.
    Dann kannst du gleich auf deiner Nase
    eine Diskothek eröffnen,
    wo die anderen rumtanzen können.«
    Christoph Maria Herbst alias Bernd Stromberg
    Zum Beispiel Stefanie. Eine attraktive Mittdreißigerin, nicht sehr groß, sportlich, ein hinreißendes Lächeln. Ich kenne sie gut genug, um sagen zu können, dass sie ein wirklich geduldiger Mensch ist, deren Wesen genauso aufgeschlossen ist wie die Türen zu ihrem Büro – also immer. Sie arbeitet im Controlling eines mittelgroßen Unternehmens, ist beliebt bei der Belegschaft, beim Boss sowieso. Und das ist vielleicht auch ihr Problem. Egal, ob sie gerade telefoniert oder sich konzentrieren will – irgendjemand poltert garantiert in ihr Büro. Und natürlich erwartet keiner, dass sie ihm das übel nimmt.
»Die Stefanie? Ach was, die ist doch total lieb!«
Eben. Zu lieb.
    Bis zu jenem Donnerstag. Dann war plötzlich Schluss mit Liebsein. Nach ungefähr 37 gefühlten Unterbrechungen an diesem Tag stürmte ausgerechnet der Chef in ihr Zimmer und redete auf sie ein. Allerdings nicht lange. Stefanie erklärte ihr Büro umgehend zum Notstandsgebiet und redete retour. Sehr gereizt. Sehr laut. Sie könne so nicht arbeiten, auch sie brauche wenigstens ab und an ihre Ruhe, und überhaupt: Wisse denn in diesem Laden keiner mehr, wie man anklopft? Betretenes Schweigen. Die emotionale Eruption war noch Tage später ein Thema, manche Kollegen haben sich entschuldigt, auch der Chef hat ihr den Ausraster glücklicherweise nicht krummgenommen. Wie gesagt, sie hat ein wirklich bezauberndes Lächeln …
    Büros – egal, wie offen sie stehen – sind kleine private Reservate. Wer sie betritt, dringt in einen persönlichen Schutzraum ein, den viele durch gerahmte Bilder von der Familie, Urlaubssouvenirs, Auszeichnungen, Kunstobjekte, Bücher oder Pflanzen markieren. All das dient nur einem Zweck: Es soll zeigen, dass dieser Raum besetzt ist – und sei es nur die eigene Schreibtischnische im Großraumbüro. Oft lässt sich an solchen Memorabilia sogar der Identifikationsgrad des Mitarbeiters mit seinem Unternehmen ablesen: Je wohnlicher der sein Büro gestaltet, desto mehr fühlt er sich dort zu Hause und mit dem Unternehmen verbunden. Das Büro – ein Stück Heimat.
    Es gibt Studien, die zeigen, wie sehr Menschen auf Warteschlangen, Verkehrsstaus oder Bahngedränge mit Stress reagieren. Und zwar nicht etwa, weil sie dadurch unter Termindruck geraten, sondern aufgrund der menschlichen Nähe. Sogenannte Crowding-Situationen,in denen wir Fremden näher sein müssen, als uns lieb ist, können enormen psychischen Druck ausüben. Dahinter stecken subtile Territorialansprüche, die jeder von uns instinktiv hegt. Und so ist es auch im Büro: Ein Kollege, der unangemeldet hereinstürmt, den Stuhl zu sich heranzieht oder sich ohne zu fragen auf die Tischkante setzt, wirkt auf uns wie ein Eindringling, der unsere Privatsphäre verletzt. Entsprechend wenig Sympathie bringen wir ihm entgegen. Mit der Folge, dass, wer diese unsichtbaren Grenzen überschreitet, für seine Ideen und Vorschläge kaum noch Gehör findet. Das aufsteigende Unbehagen überschattet dann selbst den bestgemeinten Rat.
    Nicht selten beginnen so atmosphärische Störungen im Betrieb. Auch, weil manche Chefs meinen, es sei ihr Privileg, sich um derlei Rückzugsräume wenig kümmern zu müssen.
    Nun ist es eine Sache, wenn Chefs unwirsch in Büros stürmen und so womöglich Sympathiewerte verspielen. Die andere ist: Der Überraschungsbesuch kann auch Ihre Imagewerte ramponieren. Wie das?, werden Sie fragen. Ganz einfach: Vielen ist schlicht nicht bewusst, dass der ganze Klimbim in ihrer Bude – die Familienfotos, Bilder, Bücher und Gimmicks auf dem Bildschirm – etwas über sie aussagt und viel über ihre Motivation, Arbeitsweise und ihren Charakter verrät. Oder frei nach dem Psychotherapeuten Paul Watzlawick: Sie können einen Raum nicht davon abhalten, nicht zu kommunizieren. Nicht einmal die Firmentoilette. So gibt es bereits die sogenannte
Toilettenpapier-Theorie
. Kein Witz. Sie besagt, dass man sich nur anschauen müsse, wie gepflegt das stille Örtchen ist – schon erkennt man die wahre Firmenkultur. Sind etwa die Mitarbeiter selbst dafür verantwortlich, dass die

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