Die Burg der flammenden Herzen
blieben, würden sie gewiss durch die Gärtner gestört, und Beatrice würde davonlaufen. Er musste sie berühren, sie küssen, denn er hatte die schlaflose Nacht nicht in einem Fieberwahn der Begierde verbracht, um jetzt zurückgewiesen zu werden. Irgendwie hatte sie es versäumt, ihren Schutzwall zu erneuern; er musste ihren schwachen Widerstand jetzt ausnutzen, bevor sie die Gelegenheit erhielt, ihre Abwehr wieder zu verstärken.
Sebastian blickte hinauf zu dem Hauptgebäude. Neben dem hohen Dach der Großen Halle wirkte der alte Turm massig und schwerfällig. Sebastian lächelte. Kaum jemand betrat je den Turm, und schon damals, als John in der Dreikönigsnacht den Honigwein entwendet hatte, war ihnen allen klar gewesen, dass es nur einen sicheren Ort gab, um den Wein heimlich genießen zu können. Wäre es jetzt angemessen, dort hinzugehen und Beatrice zu drängen, sich ihm hinzugeben? Schweigend schritt Sebastian zu dem alten Turm und zog Beatrice hinter sich her.
Als er die Tür öffnete, stieg ihm zu seiner Verwunderung der Geruch von frisch gesägtem Holz in die Nase. Sebastian führte Beatrice in das dämmrige Innere des Turms und schloss die Tür. Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch die Fenster, die in den dicken Mauern kaum breiter als Schlitze waren. Doch das Licht reichte aus, um die Treppe sehen zu können, die zum oberen Stockwerk führte. Er zog Beatrice an sich und spürte ihren Mund unmittelbar vor sich.
Sie entspannte sich, sobald er ihren Mund berührte, und unter seinen heißen, begehrlichen Küssen öffnete sie ihm die Lippen. Die Glut des Verlangens verzehrte seinen Leib und brannte in seiner Lendengegend. Er zog sie noch enger an sich, als wolle er sie ganz in sich aufnehmen. Schon wollte er sie zu Boden drücken und sein Feuer an den Rundungen ihres Leibes neu entfachen, um seine Begierde endlich zu stillen. Dann löste er sich von ihren Lippen und lehnte seinen Kopf gegen ihre Stirn.
Reglos stand er da, denn er fürchtete, seine übermäßige und unerklärliche Lust nicht zügeln zu können. Wie konnte seine Begierde in so kurzer Zeit derart anwachsen, obwohl sie nur von wenigen Küssen genährt worden war? Er war gewiss kein unerfahrener Bursche, der sich nur von seinem Verlangen leiten ließ.
Unter Aufbietung aller Willenskraft gelang es ihm, nicht an ihren bloßen Leib oder an den Genuss zu denken, den er zwischen ihren Schenkeln finden würde. Er brauchte jetzt seinen klaren Verstand und dachte über Beatrice nach, da er ihre Einwilligung nicht erzwingen wollte.
Er atmete tief durch und versuchte, an etwas Unangenehmes zu denken, an etwas, das ihn ablenken und sein Fieber kühlen würde.
London.
Stinkende Gassen, die üblen Gerüche des Flusses, Lärm und Unrat …
Abscheu regte sich in ihm, der stark genug war, um ihn ein wenig zu beruhigen. Dennoch zog er Beatrice weiter in den Raum hinein und schaute sich nach Decken oder Strohlagern um, die den Boden weicher machen sollten. Aber er fand nichts auf dem gefliesten Boden, der sauberer war, als er ihn in Erinnerung hatte. Vielleicht im oberen Stockwerk …
“Komm”, sagte er, führte sie zur Treppe und hoffte, dass das Licht ausreichte, um die beschädigten Stellen in den Stufen erkennen zu können.
Doch die Treppe war wieder instand gesetzt worden, gebrochene Stufen waren ausgebessert, Löcher gestopft. Der süßliche Geruch von frisch gesägtem Holz wurde stärker, als sie die Stufen erklommen und durch die Bodenöffnung stiegen. Oben war es etwas heller als im Eingangsbereich, so dass man mehr als bloße Schemen erkennen konnte.
Der Fußboden war ausgebessert worden, und das neue Holz stach hell von den alten Brettern ab. Der Raum wies keine Möbel auf, und selbst die wackeligen, morschen Bänke von damals waren verschwunden. Nur ein Stapel Holz lag an einer Wand; daneben waren Steine aufgeschichtet, die gewiss zur Ausbesserung der Treppe benötigt wurden.
Es ist genug,
sprach sein Leib, der sich gegen die selbst auferlegte Zurückhaltung zu wehren begann. Wären sie ein erfahrenes Liebespaar gewesen, hätten sie sich nicht an der spärlichen Einrichtung der Turmstube gestört, sondern unweigerlich die Gelegenheit ausgenutzt, um das Vergnügen auszukosten. Doch sie hatten noch nie beieinander gelegen, und was Beatrice auch immer in ihrer Vergangenheit getan hatte, er wollte sie keinesfalls wie eine gewöhnliche Dirne behandeln.
Doch er musste sie immerzu berühren. Als habe sie seine Gedanken gelesen, wandte sie sich
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