Die Burg der flammenden Herzen
Zweifel. Langsam schloss sie die Augen und versank in der Dunkelheit …
Eine Minute oder eine Stunde später kehrte das Bewusstsein zurück. Hatte sie geschlafen? Und wenn ja, wie lange? Die Sehnsucht, die sie in ihrem Herzen spürte, hatte nicht abgenommen, sondern war stark wie zuvor. Wie wäre es, wenn sie sich nun auf die Seite drehte und ihren Mann neben sich fände? Was geschähe, wenn sie sich ihm zuwenden und seine Berührungen willkommen heißen würde?
Denk nicht daran, lass ab davon.
Sie lief Gefahr, den Verstand zu verlieren, wenn es ihr nicht gelang, ihre verwerflichen Gedanken zu beherrschen. Wenn sie nicht immerfort an Sebastian denken wollte, musste sie sich eben zwingen, an irgendetwas anderes zu denken. Entwirf den Garten in Benbury, dachte sie. Das war eine Möglichkeit. Sie drehte sich auf die Seite und schloss die Augen. Rosmarin, Gartenraute, Lavendel und süßer Majoran …
Hilflos lag sie im Bett und öffnete die Augen. Ihr Garten … Nein, sie hatte nicht an die Gärten gedacht. Sie hatte an etwas anderes gedacht, etwas, das sie beunruhigte. Was war das?
Hände. Sie hatte von Händen geträumt, nur diesmal waren es nicht Thomas’ Hände gewesen, sondern Sebastians. Und überall, wo sie berührt wurde, stand sie in Flammen, die so heiß waren, dass sie selbst jetzt, als sie sich an den Traum erinnerte, von einer riesigen, glühenden Woge des Verlangens erfasst wurde.
Sie presste das Gesicht ins Kissen und versuchte, die Erinnerung auszulöschen. Als die Eindrücke sich nicht vertreiben lassen wollten, setzte sie sich hin, zog die Beine an und legte den Kopf auf die Knie. Ihr Verlangen nach Sebastian raubte ihr den Schlaf, den Verstand, die Sicherheit. Obwohl sie wusste, welchen Preis sie zahlte, um Sebastian zu bekommen, wurde ihr Verlangen nach ihm umso stärker.
Was wird nur aus mir werden?
Seine Hände, sein heißer und fordernder Mund, der ihr Freuden bereitete … Beatrice setzte sich auf die Bettkante, und ihr Traum schien gleichsam an der Stelle zu verweilen, wo sie zuvor gelegen hatte. Durch den Spalt im Vorhang vernahm sie Nans leisen, regelmäßigen Atem. Sie schob die Hand zwischen die Vorhänge und berührte mit den Füßen den Boden. Die Nachtkerze tropfte auf die Halterung und warf ein flackerndes Licht an die Wände. Jenseits der Fenster war der tiefgraue Himmel von einem schwachen, roten Streif gesäumt. Wie viel Schlaf hatte sie gehabt? Ihre Augen brannten, als habe sie überhaupt nicht geschlafen.
Doch jetzt wollte sie nicht mehr ruhen. Sie konnte nicht im Bett bleiben und sich von Erinnerungen und Sehnsüchten peinigen lassen. Leise ging sie zum Wäscheschrank und holte ihre schlichteste Kleidung hervor, ein Mieder und einen Rock, den sie auch ohne Nans Hilfe anlegen konnte. Rasch zog sie sich an und steckte ihren Zopf unter eine einfache Haube. Wenn sie nun unten im Garten überlegte, was sie womöglich in Benbury pflanzen könnte, bliebe ihr vor Sonnenaufgang noch ausreichend Zeit, um in ihr Gemach zurückzukehren und sich angemessen zu kleiden.
Draußen war es noch unangenehm kalt. Beatrice spürte eine Gänsehaut auf den Armen, als sie durch die Tür trat. Doch nach dem Fieber der Nacht hieß sie die Kälte willkommen. Sie atmete tief durch und schaute zum Himmel hinauf, der langsam heller wurde.
Die Sterne wurden blasser, und aus dem Grau und Scharlachrot, das sie von ihrem Fenster aus gesehen hatte, war über der Gartenmauer ein Saphirblau geworden, das sich zu einem zarten Rosa färbte. Der Garten war voller Schatten, und die Mauerecken verschwammen noch mit der Dunkelheit. Während sie schaute, bewegte sich einer der Schatten. Ihr Herz begann zu pochen. Der Schatten kam näher. Reglos blieb sie stehen, bereit zur Flucht, obwohl sie keine Furcht verspürte. Niemand konnte sich mitten in der Nacht Zutritt zu Wednesfield Castle verschaffen, und außerdem würde ihr keiner der Bewohner ein Leid zufügen.
Jetzt erkannte sie den Schatten. Es war Sebastian. Augenblicklich war sie erleichtert, dennoch spürte sie eine innere Anspannung. Warum war er hier? Hatte auch er eine schlaflose Nacht hinter sich, in der er mit einem Verlangen gerungen hatte, das nicht nachlassen wollte? Er kam näher, so nah, dass sie die dunklen Ringe unter seinen Augen sehen konnte.
“Guten Morgen, Beatrice. Was machst du hier?”
“Guten Morgen”, erwiderte sie und holte tief Luft, um den inneren Aufruhr zu beruhigen. “Ich konnte nicht mehr schlafen, und … Und ich dachte,
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