Die Burg
verwendet worden. Zusätzliches Splittermaterial hatte es nicht gegeben. Ausgelöst worden war die Bombe durch ein Mobiltelefon. Drei weitere Sprengsätze waren in Reihe geschaltet gewesen, jedoch nicht ausgelöst worden. Möglicherweise waren sie nass geworden, aber das ließ sich nach den Löscharbeiten der Feuerwehr nicht mit Sicherheit sagen. Es handelte sich um den typischen Sprengsatz eines Laien, und ein terroristischer Hintergrund war mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Klaus van Gemmern hatte einen Rolleimetric-Plan aufgehängt. Er hatte Luftaufnahmen gemacht und mit Hilfe des Computers eine große Skizze erstellt, auf der man genau erkennen konnte, in welche Richtung sich die Druckwelle ausgebreitet hatte und welche Gegenstände wohin geflogen waren. Die ersten Fotos von den Dingen, die man im weit abgesteckten Gebiet um die Burg gefunden hatte, waren auch schon da.
Toppe hatte Kaffee, Wasser, belegte Brötchen und Kuchen kommen lassen, aber kaum einer rührte das Essen an. Sie waren angespannt – endlich konnten sie konkreten Spuren nachgehen. Schließlich übergab er Penny Small und einem Kollegen aus Krefeld die Aufnahmen der Musketen und anderen Dinge, die offenbar der Militia gehörten, und schickte sie zur Überprüfung ins Lager. Eine zweite Gruppe unter der Leitung von Norbert van Appeldorn sollte die Besitzer der Handys aufspüren, die man in dem Durcheinander rund um die Burg gefunden hatte, es waren elf Stück. Nach und nach trafen auch die ersten Amateurfotos ein, einige als Papierabzug, die meisten aber auf Disc. Astrid nahm sie mit in ihr Büro, um sie zu sichten. Alle anderen machten sich wieder mit ihren Zeugenlisten auf den Weg.
Nur Peter Cox blieb im Besprechungszimmer, um mit den Fotos der am Tatort gefundenen Gegenstände Spurenakten anzulegen. Er betrachtete gerade die Aufnahme einer glatten ovalen Scheibe, die, wie das danebenliegende Maßband anzeigte, zwei Zentimeter lang war, und zerbrach sich den Kopf, um was es sich dabei wohl handeln konnte, als Astrid ihn anrief. «Ich verstehe nicht viel von Digitalkameras», sagte sie. «Auf den meisten Fotografien ist unten eine genaue Zeitangabe, wann die geschossen worden sind, auf manchen aber nicht.»
«Die Funktion kann man abstellen», erklärte er. «Auf die Uhrzeiten kannst du nicht allzu viel geben. Die muss jeder selbst einprogrammieren, und damit nehmen es viele nicht so genau. Bei meiner Kamera ist zum Beispiel immer noch Winterzeit.»
Um halb zehn hatte Toppe für seine Leute Pizza bestellt, um sie danach in den Feierabend zu schicken. Aber van Appeldorn war nicht zum Essen geblieben, und auch Cox war lieber schlafen gegangen.
Inzwischen war es fast Mitternacht. Im Haus war es still geworden, nur Astrid saß bei ihm im Büro und Ackermann, der einfach nicht zur Ruhe kam. «Ich find sowieso keinen Schlaf.»
Astrid rieb sich die Schläfen. «Ich stelle mir die ganze Zeit vor, alle vier Bomben wären hochgegangen, das wäre ein unvorstellbares Blutbad geworden. Und ich begreife einfach nicht, wer so etwas tun wollte.»
«Wenn dat ’n Einzelner war, dann muss der ’n verdammten Hass haben. Aber auf wen? Auf die ganze Menschheit? Dann is’ et ’n Verrückter.»
«Die Bomben waren unter der Ehrentribüne angebracht», sagte Toppe, «also waren die Ehrengäste das Ziel.»
«Jemand, der einen Hass auf die Stadtspitze hat?», fragte Astrid zweifelnd.
«Aber da standen doch gar nich’ die Oberpromis», gab Ackermann zu bedenken. «Dat war doch bloß die zweite Garnitur.»
«Vielleicht wusste der Täter das nicht.»
«Das ist eine Sache», sagte Toppe, «wir wissen, dass die Opfer alle Ehrenämter hatten. Aber vielleicht haben diese Leute noch etwas anderes, das sie verbindet, irgendeine andere Gemeinsamkeit.»
«Aber wat könnt’ dat sein?», überlegte Ackermann. «Müsst’ man ma’ nach gucken.» Er schaute sie beklommen an. «Ich weiß et nich’, aber ich hab irgendwie ein Scheißgefühl, so als ob dat noch nich’ alles gewesen is’.»
Thorsten weint. Hat sich auf dem Lokus eingeschlossen und weint.
«Mach auf, ich bin’s!»
«Geh weg!» Aber er entriegelt doch das Schloss und fällt ihm in die Arme. «Die haben mein Tagebuch geklaut.»
«Sch …» Er reißt ein Stück Klopapier ab und wischt ihm das Gesicht. «Wer?»
«Sie wollen es fotokopieren und verteilen.»
«Wer?»
«Kai …»
«Dem reiß ich den Arsch auf!»
Mit einem Ruck fuhr er aus dem Traum hoch, saß im Dunkeln,
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