Die Burg
noch bestätigen, aber van Appeldorn war sicher, dass das Mädchen völlig unverdächtig war – ebenso wie die Besitzer der anderen beiden gefundenen Handys, die er schon überprüft hatte. Er ließ sich gerade ihre Aussage vom Großvater bestätigen, als sein eigenes Telefon klingelte. Auf dem Display erschien die Nummer seines Festnetzanschlusses, und es kam ihm gar nicht in den Sinn, das Zimmer zu verlassen. «Ulli, was ist los?»
«Ich bin nicht sicher. Ich glaube, es sind nur Senkwehen, aber …»
Sein Magen flatterte. «Ich bin in einer Viertelstunde bei dir, bleib ganz ruhig.»
Peter Cox starrte zum Fenster hinaus in den feuchtgrauen Tag und haderte damit, dass man ausgerechnet ihn zum Supervisor bestimmt hatte. Er war doch wahrhaftig kein Experte für zwischenmenschliche Beziehungen, was jeder mühelos daran erkennen konnte, dass er keine Partnerin hatte. Dabei hielt er seit Jahren Ausschau. Eine Zeit lang hatte er es sogar im Internet versucht und dabei Irina kennengelernt, eine attraktive Frau aus Sibirien. Als sie ihn schließlich besuchen kam, war er voller Hoffnung gewesen, aber dann hatte er herausgefunden, dass sie ihm ein Kind unterschlagen hatte, und damit war die Sache für ihn beendet gewesen. Er verabscheute Lügen. Gegen Kinder hatte er eigentlich nichts, auch wenn er sich mittlerweile manchmal ein bisschen zu alt dafür fühlte. Aber nun denn, Norbert war auch schon einundfünfzig, fast sieben Jahre älter als er.
Er wischte über die beschlagene Fensterscheibe. Seine ledige Mutter war bei seiner Geburt gestorben, und er war bei seinen Großeltern aufgewachsen, vielleicht hatte ihn das ein wenig wunderlich gemacht. Obwohl, in den letzten Jahren … seitdem er hier in diesem Kollegium arbeitete, war er lockerer geworden. Gut, er brauchte immer noch eine gewisse Ordnung, aber die Welt ging schon lange nicht mehr unter, wenn er nicht pünktlich um zwölf Uhr sein Mittagessen bekam oder es einmal nicht schaffte, am Dienstag die Bettwäsche zu wechseln.
Er war schon immer ein Spätzünder gewesen und ein Eigenbrötler dazu, hatte sich am liebsten in die Welt der Computer vergraben. Sein einziges Aufbegehren gegen das starre Erziehungskorsett seines Großvaters waren die Autorallyes gewesen. Und als der Alte dem einen Riegel vorschieben wollte, war er nach Berlin durchgebrannt, wo er sich – schon mit neunzehn groß und kräftig – ein paar Wochen als Türsteher durchgeschlagen hatte, bis der Großvater ihn aufspürte. Danach wurden Autorallyes stillschweigend geduldet, und sogar sein Eintritt in einen Boxclub blieb unkommentiert.
Unten auf dem Parkplatz rollte ein schwarzes Motorrad aus – das musste Penny sein. Gekonnt bockte sie die Maschine auf, nahm den Helm ab und schüttelte ihre Locken. Sie war wirklich ausnehmend hübsch. Er winkte, als sie ihn am Fenster entdeckte, und sie signalisierte, dass sie zu ihm wollte. Er hechtete zum Schreibtisch, um in sein Jackett zu schlüpfen, überlegte es sich aber anders. Er hatte gar keine Lust, eine Schau abzuziehen. Stattdessen öffnete er die Bürotür, lehnte sich gegen den Rahmen und wartete.
Sie lächelte blass, als er ihr Helm und Jacke abnahm, irgendetwas bedrückte sie.
«Ist was passiert?», fragte er vorsichtig.
«Nicht direkt», antwortete sie und setzte sich. «Ich habe nur nicht sorgfältig genug gearbeitet, und das fuchst mich.»
«Das fuchst dich», murmelte er. Ein Ausdruck, den er lange nicht mehr gehört hatte, sie musste ihn wohl von ihrer Mutter übernommen haben.
«Na gut, es ist ja noch nicht zu spät», sagte sie mehr zu sich selbst, dann straffte sie die Schultern und schaute ihm in die Augen. «Hör zu, ich fühle mich nicht besonders gut bei dem, was ich erzählen muss, und ich glaube auch, dass letztendlich nichts dabei herauskommt, zumindest hoffe ich das. Aber es ist eine Spur, der wir nachgehen müssen.»
Er konnte ihr Mienenspiel nicht deuten. «Ihr wollt meine Mitarbeit als Polizistin, okay? Also denke ich wie eine Polizistin, und ich handele wie eine Polizistin, okay?»
«Okay», antwortete er vorsichtig. Wollte sie irgendeine Art Absolution von ihm? Wie alt mochte sie sein? Anfang, Mitte dreißig? Sie trug keinen Ring.
«Leg los, Polizistin!»
Sie breitete einen weiteren schmuddeligen Zettel voll kryptischer Kritzeleien auf dem Schreibtisch aus. «Ich habe dir erzählt, dass während des Events drei Leute im Lager zurückgeblieben sind: Sue für die Kinderbetreuung und Chris und Matthew als Wachen.
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