Die Burg
zwei Taucher an, die umgehend das Gelände rund um das Lager und den Fluss nach Bombenmaterial absuchen sollten.
Cox beobachtete ihn. Helmut wirkte anders als gestern: angespannt, sicher, aber gleichzeitig auch fast so, als wäre eine Last von ihm abgefallen. Was hatte das zu bedeuten?
«Jemand muss mit James Connor sprechen», sagte er. «Er liegt in Nimwegen.»
«Ich weiß», antwortete Toppe und machte sich weiter Notizen. «Eigentlich wäre das Jupps Aufgabe, aber der ist ja anderweitig beschäftigt. Ruf Norbert an, der soll das übernehmen.»
Cox wählte, stutzte und wählte noch einmal. «Das gibt’s doch gar nicht!»
«Was ist denn?»
«Ich lande immer nur bei seiner Mailbox», wunderte sich Cox. «Das kann er doch nicht machen!»
«Vielleicht kommt das Kind.»
«Dann hätte er uns doch wenigstens Bescheid sagen müssen.»
Toppe runzelte die Stirn. «Ich rede später mit ihm. Soll halt Astrid zu Connor fahren.»
Penny Small hatte Chris Kingsley unten auf der Wache gelassen und schob Matthew Hendry vor sich her ins Büro. «Sit down», herrschte sie ihn an und rückte einen Stuhl zurecht.
Mit einem müden Grinsen fläzte er sich breitbeinig hin. Er trug ein fleckiges Bürgerkriegskostüm mit ausgefransten Säumen, fettige Strähnen fielen ihm ins Gesicht, und er roch streng nach Rauch und Schweiß. Sein Blick war berechnend und passte nicht zu seinem pausbäckigen Kindergesicht. Er saß auch da wie ein störrisches, beleidigtes Kind und machte die Vernehmung, die durch das Übersetzen ohnehin zäh verlief, nicht eben leicht. Schnöselig und nuschelnd beantwortete er Toppes Fragen, zupfte an seinem flaumigen Schnurrbart herum, porkelte in den Zähnen, bis Penny der Kragen platzte und sie ihm ein paar deutliche Sätze um die Ohren fetzte. Da wurde plötzlich aus dem störrischen ein völlig verschrecktes Kind. Er kenne sich mit seiner Muskete aus, aber doch nicht mit Bomben! Woher denn auch?
Über Bombenbau könne sich jeder problemlos im Internet informieren.
Aber er habe nicht einmal eine eigene Wohnung und bestimmt kein Geld für einen Computer oder das Internetcafé!
Toppe wusste, dass die Bombe in der Nacht von Samstag auf Sonntag montiert worden sein musste, als das Podium bereits aufgebaut und die Gegend um die Burg herum unbewacht gewesen war. Wo Matthew sich in dieser Nacht aufgehalten habe, wollte er wissen.
Im Lager! Zeugen dafür hatte er nicht.
«Wir sind alle früh schlafen gegangen», erklärte Penny, «wir mussten ja am Sonntag fit sein. Matthew hat ein Einzelzelt wie die meisten Jungen.»
«Er hätte das Lager also unbemerkt verlassen können», stellte Toppe fest.
Das war der Moment, in dem Matthew Hendry in Tränen ausbrach und zu stammeln anfing: Er könne doch niemals so etwas Grausames tun, all die Menschen … er sei doch dabei gewesen … er hätte doch das ganze Blut gesehen … und die Wunden … und …
Doch Toppe blieb ungnädig: Was war mit dem tätlichen Angriff auf James Connor? Was war mit der geplanten Kindesentführung?
Er erntete feuchte Schluchzer, aber er ließ Hendry nicht zu Atem kommen, sondern begann seine Befragung noch einmal von vorn. Manchmal bekam er eine Antwort, manchmal nicht. Matthew Hendry sah aus, als würde er jeden Moment vom Stuhl kippen. Dann ließ Toppe endlich von ihm ab und rief nach dem Wachhabenden. «Der junge Mann geht vorerst in den Arrest. Und bring mit bitte den anderen hoch.»
Hendry stolperte an ihm vorbei auf den Flur und spie einen Satz aus, von dem Toppe nur das Wort «nazi» verstand. Cox, der sich im Hintergrund gehalten hatte, schaute seinen Chef unbehaglich an. «So kenne ich dich gar nicht.» Aber Toppe antwortete nicht.
Eine gute Stunde später war in Cox’ Büro endlich wieder Ruhe eingekehrt, und er hatte es geschafft, die Bandaufnahme der Vernehmung von Chris Kingsley, einem fünfundzwanzig Jahre alten Techniker, zu Papier zu bringen.
Toppe: Matthew Hendry lebt bei Ihnen?
Kingsley: Ja, seit sechseinhalb Monaten.
T: Sie sind mit ihm befreundet?
K: In gewisser Weise, ja. Er ist noch sehr unreif.
T: Sie wissen, dass Hendry James Connor tätlich angegriffen hat?
K: Ja, der Junge hat sich da in etwas hineingesteigert.
T: Und Sie sind sein Komplize bei der geplanten Entführung von Connors Tochter.
K: Was?! Sind Sie verrückt geworden?
T: Warum sonst hätte er Ihnen davon erzählen sollen?
K: Weil er ein Spinner ist! Das ist doch alles nur leeres Gerede. Kommen Sie, so etwas würde Matthew nie
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