Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
nicht verheimlichen müssen.«
Die Schatten in seinem Gesicht wurden tiefer. »Nicht jedem fällt das Reden leicht. Und es ist auch nicht immer das
Beste. Ich … muss auf diese Art damit umgehen. Ich möchte nicht, dass sich jemand wegen Sachen den Kopf zerbricht, für die ich verantwortlich bin.«
»Ich verstehe. Aber man muss nicht unbedingt Geheimnisse haben, um die Kontrolle zu behalten.«
»Wirklich? Wenn ich dir was erzähle, bildest du dir dann nicht unwillkürlich ein Urteil und versuchst, meine Entscheidungen zu beeinflussen?«
Erneut schnürte es Jo die Kehle zusammen. Er hatte ihr etwas unglaublich Schmerzliches gestanden. Dennoch konnte sie ihren Ärger nicht völlig unterdrücken. Dass er ihr etwas derart Grundsätzliches so lange verschwiegen hatte, obwohl offenkundig war, dass sie es wissen wollte!
Doch er hatte ihr auch versprochen, ihr in Zukunft nichts mehr zu verheimlichen. Und sie selbst hatte ihm ja nichts von ihrer dunklen Angst erzählt: dass seine Einberufung eine Botschaft an sie war. Sie nahm allen Mut zusammen.
In der Küche klingelte das Telefon. Gabe drückte ihr die Hand, dann eilte er hinein, um abzunehmen. Jo legte den Kopf zurück, um hinauf zu den Sternen zu schauen. Nach einer Minute folgte sie ihm. Gabe war immer noch am Telefon. Sie schlenderte hinüber ins Wohnzimmer und setzte sich zu Sophie auf den Boden.
Mit konzentrierter Miene beugte sich die Kleine tief über ihre Farbstiftzeichnung.
»Das Appaloosapferd gefällt mir«, sagte Jo.
»Danke.«
»Kämpfen die Pferde gegen die Vampire?«
»Nur gegen die bösen Vampire. Und die Werwölfe sind auf der Seite der Pferde.« Sophie nahm einen roten Stift und malte eine Wunde auf die Flanke eines Wolfs. »Dad glaubt, ich hab keine Ahnung, was los ist.«
»Ihm ist schon klar, dass du was weißt.« Jo griff nach einem Stift und einem Blatt Papier. »Darf ich?«
Sophie nickte.
Jo fing an zu zeichnen. »Was hat er dir erzählt?«
Stophie unterbrach ihre Arbeit. Ihre Augen schimmerten ängstlich. »Am Freitag fliegt er nach Übersee.« Ihre Lippen kämpften gegen ein Beben an. »Aber nicht nach Afrika, sondern nach Afghanistan.«
Ihr aufflammender Blick gab Jo zu verstehen, dass sie es ja nicht abstreiten sollte. Dann blinzelte sie, und ihr Atem wurde ruckartig. »Ich möchte, dass er hierbleibt«, flüsterte sie.
»Können sie denn nicht einen anderen nehmen! Aber sag ihm nichts.«
Gabes Schritte knarrten auf dem Holzboden. Um ihre Tränen zu verbergen, wandte Sophie das Gesicht ab, aber als er eintrat, bemerkte er es sofort. Bestürzt kauerte er sich neben sie und schloss sie in die Arme. Langsam wie ein verkrampfter Muskel erschauerte sie und drückte das Gesicht an seine Brust.
Jo saß hilflos daneben. Das Klingeln des Telefons war wie eine Erlösung. Auf dem Display erschien Tang. »Entschuldigt bitte.« Sie erhob sich und machte ein paar Schritte beiseite. »Amy?«
»Übrigens fehlen Tasias medizinische Unterlagen aus der Zeit ihrer Ehe mit Robert McFarland.«
»Ach was.«
»Damit meine ich nicht, dass sie nicht verfügbar sind. Eigentlich müsste die Armee sie haben, aber sie haben sich offenbar in Luft aufgelöst. Eine echte Überraschung, findest du nicht?«
Jo überlegte kurz. »Danke.«
»Solche Informationen würden für ziemliches Aufsehen sorgen, wenn sie an die Öffentlichkeit kämen.«
»Dafür ist noch nicht der richtige Zeitpunkt. Aber es könnte nützlich sein.«
»Sag Bescheid, wenn du Hilfe brauchst.«
»Mach ich.« Jo schaltete ab.
Unmittelbar darauf läutete das Handy erneut. Es war Vienna. »Lewicki hat zugesagt.«
Jo stellte die Ohren auf. »Wann und wo?«
»Morgen um ein Uhr Mittag in meinem Büro. Er kommt
direkt vom Flugzeug. Anscheinend kann ich immer noch überzeugend sein. Oder dieser Wicht hat einfach Angst vor starken Frauen.«
Jo spürte einen Hauch von Hoffnung. »Ich bin pünktlich. Danke.«
Gabe kam mit Sophie an der Hand zu ihr. Die Kleine wischte sich die Augen.
»Wir müssen weg. Ich hab einen Termin beim Anwalt und bringe Sophie zu Regina.«
Jo nickte. Sie öffnete den Mund, um ihm von ihrer Befürchtung zu erzählen, dann schloss sie ihn wieder. Falsche Zeit, falscher Ort.
»Was ist?«, fragte er.
»Das kann warten bis nächstes Mal.«
Als ob es davon besser würde.
KAPITEL 47
Um halb sieben Uhr morgens trat Jo barfuß in die Küche. Flaches Sonnenlicht fiel durchs Haus. Sie schob sich die ungekämmten Locken hinters Ohr und schaltete die Kaffeemaschine ein.
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