Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
verzweifelte Tat. Es würde bedeuten, dass sie von jemandem umgebracht wurde, der ein großes Risiko eingegangen ist - vielleicht weil viel auf dem Spiel stand.«
»Verdammt, Sie befürchten also, dass es eine Verschwörung sein könnte.«
»Es macht mir Angst, dass das Weiße Haus die Ermittlungen abwürgt. Möglicherweise braut sich da was Bedrohliches zusammen, was wir übersehen haben.«
»Was haben Sie vor?«
»Die Maschine des Präsidenten trifft morgen Mittag ein. Können Sie Lewicki dazu bringen, vor der Gedenkfeier hier bei Ihnen vorbeizuschauen?«
Paine schaukelte in seinem Schreibtischstuhl hin und her und dachte nach. Auf seinem Computerbildschirm blinkte Keyes’ Nachricht. Ist es nicht beängstigend, dass ein Einzelner so eine Verwüstung anrichten kann? Aber das war nicht, was ihn im Augenblick interessierte. Er konzentrierte sich auf Edie Wilsons letzte Sendung. Drückte auf Replay.
Ihre überdrehte Aufbereitung der Story regte ihn dabei am wenigsten an. Die Frau war eine Nebenattraktion, der zweiköpfige Pekinese, der es ins Zirkuszelt geschafft hat und sich nur durch immer lauteres Bellen in der Manege halten kann. Andeutungen, Klatsch, anonyme Quellen - und wer war eigentlich diese haarsträubende Hippietussi, die sich da über ihren Ex ausließ? Da wollte wohl jemand mal im Rampenlicht stehen.
Die Aufnahme lief. Er schaltete Edie Wilsons durchgeknallte Clownsstimme stumm und drückte auf Pause.
Dann neigte er sich nah zum Monitor. »Interessant.«
Das Standbild zeigte Dr. Jo Beckett, die sich im Auto von Wilson und ihren Pressekollegen entfernte. Der Wagen gehörte dem Mann, auf den sich die Verachtung der Hippiefrau
und Wilsons aktuelle Hysterie richtete - diesem Gabriel Quintana. Paine zoomte heran. Speicherte das Bild ab und spielte damit herum, bis die Details schärfer hervortraten.
Er lächelte.
Edie Wilsons Nebenattraktion war nur eine Ablenkung, eine Discokugel, die die Wahrheit verzerrte. Aber Nebenattraktionen boten Schutz und waren eine gute Rückversicherung. Irreführung und Desinformation konnten wertvolle Verbündete auf dem Schlachtfeld sein. Beckett und Quintana waren glitzernde Steinchen auf der kreisenden Kugel, die Paine benutzen konnte. Gerüchte, Angst, Andeutungen von Gewalt im Herzen der Untersuchung zu Tasia McFarlands Tod - all das konnte dazu dienen, dass sich seine Feinde gegeneinander wandten.
Er speicherte das Bild ab und druckte es aus.
Dann schrieb er an Keyes. Wie ich weiß, hast du das Grundübel der heutigen Welt begriffen: dass der Schakal sein Leben fortsetzt. Alles ist gerechtfertigt, um Robert McFarland aufzuhalten. Und wir sind wie niemand sonst in der Lage und willens, dies zu vollbringen .
Wer den Tyrannen tötet, ist kein Mörder, sondern ein Befreier .
Als Paine noch einmal den Ausdruck des Standbilds betrachtete, fühlte er sich beruhigt. Das Kennzeichen von Gabriel Quintanas Geländewagen war deutlich zu erkennen.
KAPITEL 46
Noe Valley lag in der Abenddämmerung. Im Block wurden die ersten Lichter eingeschaltet. Auf der Straße übten Kinder Skateboardtricks und begrüßten lachend die hereinbrechende Nacht. Jo klopfte.
Als Gabe öffnete, blieb sie still stehen. Seine Augen waren müde. Sein Blick zuckte von ihrem Gesicht zur Einfahrt und zur Straße dahinter.
»Ich habe zwei Blocks weiter geparkt. Meinen Pick-up entdeckt bestimmt keiner«, erklärte sie.
Er winkte sie hinein und schloss die Tür. Die Jalousien waren zugezogen. Auf der Stereoanlage lief ein Album von Hannah Montana. Im Wohnzimmer saß Sophie mit überschlagenen Beinen auf dem Boden und malte. Sie schaute auf. Auch ihre Augen waren müde.
Jo hob die Hand. »Hi, Kiddo.«
»Hi.«
Jo folgte Gabe in die Küche. Er schenkte ihr eine Tasse Kaffee ein und trat hinaus in den Garten. Jo setzte sich an den Verandatisch. Der Rasen war bedeckt mit abgefallenen Eichenblättern.
Gabe stand am Tisch und starrte auf den westlichen Horizont, der mit karmesinfarbenem Licht durchtränkt war. Oben, wo es in dunkles Blau überging, blinkten Sterne am Himmel.
»Wir haben eine totale Kommunikationssperre verhängt. Kein Fernsehen, kein Computer; Anrufe nehme ich entgegen. Sophie soll nur hören, was von meinen Lippen kommt.«
»Es tut mir leid«, sagte Jo.
Endlich sah er sie an. »Du hast keinen Grund, dich zu entschuldigen. Du machst nur deine Arbeit. Ich bin mitten reingesprungen, und dabei hab ich Schlammspritzer abgekriegt.«
Nur dass es nicht so einfach war, und das
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