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Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby

Titel: Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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Die Luft war kühl, der Himmel kobaltblau. Im Kopf überschlug sie, dass in fünftausend Kilometern Entfernung die Präsidentenmaschine auf dem Air-Force-Stützpunkt Andrews in Position rollte.
    Während der Kaffee kochte, legte sie ihre Notizen auf den Küchentisch: die Informationen, die sie kannte, die sie brauchte und die sie mit Zuckerbrot und Peitsche aus dem Stabschef des Weißen Hauses herausholen wollte.
    Vor allem drei Punkte brannten ihr auf den Nägeln. Zunächst das ungute Gefühl, dass Tasia McFarlands Tod nicht das Ende der ganzen Angelegenheit war. Zweitens die Furcht, dass die bevorstehende Ankunft des Präsidenten weitere Menschen in Gefahr bringen könnte. Immer wieder hallte in ihrem Kopf Tasias aufgezeichnete Warnung: Alles ist den Bach runtergegangen … wenn ich wirklich sterbe, bedeutet das, dass der Countdown läuft.
    Drittens die Überzeugung, dass Lewicki oder die politische
Maschinerie des Präsidenten Gabes Einberufungsbefehl abgeändert hatte.
    Sie musste herausfinden, ob Tasia McFarland ermordet worden war. Und sie wollte, dass Lewicki vor ihr zu Kreuze kroch und wimmerte wie ein kranker Pavian.
    Noch einmal studierte sie ihre Aufzeichnungen und versuchte Tasias letzte Tage zu entwirren wie ein Wollknäuel. Tasia hatte die stimmungsstabilisierenden Medikamente abgesetzt. Doch statt das ersehnte manische Hoch zu erleben, stürzte sie im Frühjahr in eine tiefe Depression. Dann ließ sie sich Prozac verschreiben, was wahrscheinlich eine gemischte Episode auslöste. Einige Tage vor ihrem Tod traf sie sich in einem Hotel in Virginia mit Robert McFarland. Danach kehrte sie aufgeregt und verängstigt nach San Francisco zurück. In der Nacht vor dem Konzert im Stadion schrieb sie zwei Lieder, die im Fall ihrer Ermordung gespielt werden sollten. Am nächsten Abend wurde sie mit McFarlands Colt M1911 erschossen.
    »The Liar’s Lullaby« und »After Me« hatten nicht unbedingt Hitpotential. Die Songs waren unheimlich und düster, zweideutig und lückenhaft. Aber sie gingen unter die Haut. In Tasias Haus hatte Jo Fotos von den Noten gemacht. Nun breitete sie die Ausdrucke auf dem Küchentisch aus.
    You say you love our land, you liar
Who dreams its end in blood and fire
Said you wanted me to be your choir
Help you build the funeral pyre.

    Neben dem unheilvollen Text zeichnete sich die Musik durch dissonante Arrangements und zwanghafte melodische Motive aus.
    But Robby T is not the one
All that’s needed is the gun
Load the weapon, call his name
Unlock the door, he dies in shame.
    Repetitive melodische Sequenzen und Akkorde, die zusammen mit dem Text rätselhaft wirkten.
    Buchstäblich rätselhaft.
    Jo fiel ein, dass sie während des Medizinstudiums eine Vorlesungsreihe über Geist und Musik besucht hatte. Sie ging hinüber ins Büro und wühlte im Aktenschrank. Nach ein paar Minuten stieß sie auf Notizen, die sie sich damals gemacht hatte. Als sie sie las, wurde ihr Puls schneller.
    In einer manischen Phase ersannen Menschen mit bipolarer Störung mitunter die vertracktesten Wortspiele, von deren Mehrdeutigkeit sie völlig besessen waren. Und bipolare Musiker verwandelten ihre Kompositionen bisweilen in Rätsel.
    Das erreichten sie mit geheimen Anspielungen auf berühmte Tonfolgen anderer Komponisten. Oder mit Codes, die sie in den Melodien oder der Orchestrierung versteckten.
    Jo nahm sich Tasias Noten vor. Eine Möglichkeit zur Einfügung eines Codes in einen Song waren natürlich die Noten selbst: c, d, e, f, fis und so weiter.
    Tasias Musik war sowohl im Violin- als auch im Bassschlüssel notiert. Keine erniedrigten oder erhöhten Töne.
Die Noten drängten sich um das eingestrichene C. Ganz oben hatte Tasia Kontrapunkt/Kanon hingekritzelt.
    Jo wippte mit dem Fuß. Nach der Schilderung des Stuntkoordinators Rez Shirazi hatte ihn Tasia mit Bemerkungen über Märtyrertum und Verschwörung überrollt. Aber es war auch um Musik gegangen. Sie hatte behauptet, dass ihre Musik sie schützen würde und dass sie die Wahrheit enthielt. Melodie, Harmonie, Kontrapunkt, Lyrik. Immer wieder flocht sie in ihren manischen Monolog Anspielungen auf Musik ein. Reime, Reime, Kehrreime. Do, re, mi, fa, so leicht kann’s gehen.
    Es läutete an der Tür.
    Jo trat ans Bürofenster und spähte durch die Rollläden. Auf der Straße war alles ruhig. Keine Reporter - nur der Roboter Ahnuld, der auf dem Gehsteig dahinsauste. Hinter Ahnuld kam Mr. Peebles mit gebleckten Zähnen. Dann Ferd, der beiden nachjagte.

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