Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
hielt inne. »Also hab ich ihn windelweich geprügelt.«
Jo wartete. Sekunden verstrichen. »Gabe?«
»Ich hätte früher aufhören müssen, aber ich dachte bis zuletzt, wenn ich ihn loslasse, dann ist Dawn geliefert. Dummerweise hab ich nicht gemerkt, wie einer von den anderen eine Flasche aus der Mülltonne holt. Er hat sie zerbrochen und auf mich eingestochen. Zweimal.«
Seine Ruhe erinnerte an den Frieden, nachdem alles Blut aus dem Körper gelaufen ist und das Herz nichts mehr zu pumpen hat. Jos Blick glitt von seinem Gesicht hinunter zur Hüfte, wo unter seinen Kleidern die schartigen Narben waren.
»Danach sind die zwei Typen abgehauen. Haben mich in meinem Blut zurückgelassen, neben ihrem Kumpel.«
Jo fasste nach seiner Hand. Er gestattete ihr, sie zu nehmen, erwiderte aber den Druck nicht.
»Ich dachte, Scheiße, der Kerl hat mich aufgespießt. Darauf war ich nicht gefasst.« Er benetzte seine Lippen. »Und ich hab mich gefragt, ob ich jetzt gleich irgendwo dort oben
schwebe und auf meinen Körper runterschaue. Und warum es auf einmal so finster wird.«
Wie gebannt lauschte ihm Jo.
»Schließlich bin ich zurück zum Restaurant gekrochen. Die Polizei ist gekommen, dann ein Rettungswagen. Sie haben mich ins Krankenhaus gebracht und wieder zusammengeflickt.«
Jo hatte eine trockene Kehle. Ihr war klar, dass zusammengeflickt ein Euphemismus war.
Er verstummte.
Sie überlegte fieberhaft. Ein furchtbarer Überfall, sicher, aber wo war das Problem für Gabe? Er war doch der Held. Er hatte seine schwangere Freundin vor einer Bande von Vergewaltigern gerettet. Zögernd fragte sie nach. »Aber?«
»Niemand hatte was von dem Kampf bemerkt. Dawn war abgehauen. Nur ich und der Typ, den ich zusammengeschlagen hatte, waren noch da. Er hat ein paar Zähne ausgespuckt und allen erzählt, dass ich ihn umbringen wollte. Kein Wort über seine Freunde. Kein Wort davon, wie er Dawn gepackt hat.« Er zuckte die Achseln. »Da haben mich die Polizisten natürlich verhaftet, noch im Krankenhaus. Wollten Anklage gegen mich erheben wegen Körperverletzung, vielleicht sogar wegen versuchten Mordes.«
Jo beugte sich vor. »Aber das haben sie nicht getan.«
»Sie haben die zerbrochene Flasche entdeckt. Die Fingerabdrücke waren nicht von dem Typen, den ich verprügelt hatte. Sie waren von seinem Kumpel, der eine Vorstrafe hatte.«
»Und?« Sie war verwirrt. »Das war das Ende?«
Er starrte zu Boden. Bleischwere Beklommenheit legte sich über Jo.
»Dawns Eltern haben sie dazu gebracht, reinen Tisch zu machen«, sagte er. »Es war ein Streich, der außer Kontrolle geraten ist.«
»O Gott.«
»Sie wollte mir Angst einjagen, damit ich bleibe. Damit ich sie beschütze. Sie kannte alle drei Typen. Es war ein abgekartetes Spiel.«
Hell wie ein Blitz schien der Zorn durch die Abenddämmerung zu zucken. Jo musste aufstehen und ein paar Schritte machen, um sich wieder zu fassen. Nach einer Minute kehrte sie zurück und legte Gabe die Hände auf die Schultern.
»Ich verstehe, warum du es mir nicht erzählt hast. Ich werde nicht explodieren und auch nicht das ganze nächste Jahr darauf herumhacken, was für ein Miststück Dawn ist, oder dich komisch anstarren.« Sie suchte seinen Blick. »Aber bitte verschweig mir so was nie wieder.«
Seine Lippen öffneten sich. Kein Lächeln, kein Stirnrunzeln. Vielleicht ein Zeichen der Überraschung. »Bist du sicher?«
»Ja.«
»Wirklich?«
Sie redeten jetzt nicht mehr nur über die Vorfälle von damals, sondern über den Krieg.
Sie nickte. »Vertrau mir.« Es war eine Bitte, ein Versprechen und ein Ausdruck ihrer Verletztheit.
Er nahm ihre Hände von seinen Schultern und drückte sie an die Lippen. »Verstehst du jetzt, warum ich nicht wollte, dass diese Geschichte herauskommt? Wie soll Sophie damit umgehen, wenn sie erfährt, was ihre Mutter getan hat?«
»Ich weiß.«
»Ich verdanke Dawns Eltern wirklich viel. Sie haben am allermeisten gelitten. Ich meine, ich bin wieder gesund geworden. Die Polizei hat das Bildmaterial von einer Überwachungskamera hinter dem Restaurant ausgewertet, und danach haben sie mich auf freien Fuß gesetzt und kein Wort mehr über eine Anklage verloren.«
»Aber du möchtest nicht, dass ich es jemandem erzähle, stimmt’s?«
»Ja. Der Typ, den ich zusammengeschlagen habe, ist mit verdrahtetem Kiefer und zusammengenageltem Knie aus dem Krankenhaus entlassen worden. Wahrscheinlich hinkt er seither.«
Jo hielt seine Hände fest. »Das hättest du mir
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