Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
Scherz. Sie sollten mal Ihr Gesicht sehen.«
Sie räumte einen Stapel Papiere von einem Stuhl, damit Jo
sich setzen konnte. »Lewicki ist ein Kätzchen. Damit meine ich, er ist blutrünstig. Aber um mir einen Gefallen zu tun, wird er Ihnen zuhören. Zehn Sekunden lang. Danach muss er von allein an Ihren Lippen hängen.«
Jo wischte sich die Hände an der Hose ab. »Von mir aus kann’s losgehen.«
Zweihundert Meter hinter dem Präsidentenkonvoi in der Innenstadt von San Francisco blieb Ivory an einer Ampel hängen. Mit plärrenden Sirenen und in vollem Karacho war die Armada von Geländewagen und Polizeimotorrädern über den Highway und am Ufer entlanggerast; el Presidente hatte seinen Untertanen zu verstehen gegeben, dass sie zur Seite springen mussten. Ivory streckte den Kopf durchs Fenster und konnte gerade noch sehen, wie die Parade beim Hyatt Regency am Embarcadero Center einbog. Dort wollte sich Legion also bis zum Beginn der Trauerfeier zurückziehen. Von Luxus umgeben.
Sie rief Keyes an. »Hyatt Regency. Sind gerade in die Tiefgarage.«
»Bin schon unterwegs«, antwortete er.
Die Ampel schaltete auf Grün. Sie wechselte auf die äußerste Spur und raste an der Schlange vorbei. Doch als sie die Hoteleinfahrt erreichte, war diese schon von den Bullen abgesperrt. Fluchend bremste sie.
Plötzlich fiel ihr auf, dass einer von den Chevys nicht in der Garage des Hotels verschwunden war. Er wartete mit laufendem Motor am Randstein. Die Türen öffneten sich, zwei junge Anzugträger sprangen heraus und hasteten zum Eingang. Dann bog der Chevy hinter einem Polizeimotorrad
auf die Straße und bewegte sich in Richtung Zentrum des Bankenviertels.
»Einer von den Suburbans ist gerade weggefahren. Könnte er das sein?«, meldete Ivory.
»Nur einer?«
»Mit Eskorte.«
Keyes zögerte kurz. »Folg ihm.«
»Und wenn er nicht drin ist? Hat das Monster nicht ein spezielles Auto?«
»Das ist eine gezielte Desinformation vom Geheimdienst. In Wirklichkeit weiß niemand, in welchem Fahrzeug er sitzt. Entweder ist er also in dem Suburban, der gerade losgefahren ist …«
»Oder im Hyatt. Aber wenn er in dem einzelnen Chevy sitzt …«
»Dann schnappen wir ihn uns.«
Sie umkurvte das Hyatt, um zum Bankenviertel zu gelangen. Vorn an der Ecke hatte der Suburban fünfzig Meter Vorsprung.
Vienna brachte Jo eine Tasse brühheißen Instantkaffee. »Was ist das?«
Jo hatte Kopien von Tasias letzten Kompositionen auf dem Schreibtisch ausgebreitet. »Ihre Schwester hat Rätsel in diese Songs eingebaut. Vielleicht können Sie mir helfen, sie zu entschlüsseln.«
Vienna beugte sich über die Noten. In diesem Augenblick klingelte Jos Handy. Ferd Bismuth.
»Entschuldigung.« Sie meldete sich. »Hat sich Mr. Peebles von seinem Mad-Max-Spiel wieder erholt?«
»Mr. P hat im Fernsehen eine Wiederholung des Vorfalls gesehen und prompt eine Schüssel Hafermehl auf den Bildschirm geworfen. Ich fürchte, jetzt hat er einen Blondinenkomplex. Meine Güte, was hat die Frau geschrien.«
Jo war sich nicht sicher, ob wirklich Mr. Peebles den Komplex hatte.
Ferd kam zur Sache. »Ich hab im Netz noch ein bisschen nach Archangel X rumgestöbert.«
»Warum? Hast du was gefunden?«
»Merkwürdige Kontakte. Archangel X hat sich in politischen Foren geäußert, auf denen über Tasias Verbindung zum Präsidenten diskutiert wurde. Um genau zu sein, rechtsradikale Foren, die Searle Lecroix als ›Verräter an unserer Sache‹ bezeichnen, weil er mit ›dem Feind‹ geschlafen hat. Du weißt schon, weil Tasia früher verheiratet war mit …«
»Verstehe. Archangel X hat also im Netz nach Nennungen von Searle gesucht, um ihn im Cyberspace zu verteidigen.«
»So ungefähr. Und sie hat dafür auch ziemlich was einstecken müssen. Von einem Typen namens Paine.«
»Pain wie Schmerz?«
»Wie Thomas Paine. Jo, dieser Typ ist nicht einfach irgendein Internetheini. Er hat eine Anhängerschaft. Und er ist richtig extrem. Betreibt eine Site namens Recharging Liberty. «
»Die kenne ich. Tasia hat sie besucht. Wirklich grausig.«
»Ich hab Verdauungsstörungen und Atemprobleme davon gekriegt. Dieser Typ, ich übertreibe nicht, ist ein Guru für äußerst regierungsfeindliche Leute. Und er hat Archangel X in den Foren wirklich brutal niedergemacht. Es gibt auch eine E-Mail von ihr an ihn. Sie haben sich persönliche Nachrichten geschickt.«
Vienna runzelte die Stirn. »Was ist?«
Ferd fuhr fort. »Ich lass dir die E-Mails zukommen. Aber das
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