Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
der Straße aufragte.
Tang nahm die Sonnenbrille ab und musterte Jo von oben bis unten. »Willst du vorm Kongress aussagen?«
»Nein, den Stabschef des Weißen Hauses in einen Hinterhalt locken.«
»Ich weiß schon, du bist unter die Skalpjäger gegangen.« Sie unterdrückte ein Lächeln. »Dann darfst du dich auch als Dominatrix verkleiden.«
Jo hielt ihren schwarzen Anzug für konservativ, auch wenn die Hose hauteng anlag. Und ausnahmsweise trug sie sogar spitze Absätze.
Als sie ihren Bagel bekommen hatte, suchten sie sich einen Platz. »Ich hab den Bericht noch nicht abgeschlossen. Hab’s mir anders überlegt.«
Tang trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Hast du heute Morgen Kraftfutter gegessen?«
»Nennen wir es lieber berufliches Verantwortungsbewusstsein.«
Amy gab sich reserviert, aber wieder bemerkte Jo ein verstohlenes Lächeln.
»Na schön«, antwortete Tang. »Hier ganz inoffiziell, was ich über Noel Michael Petty erfahren habe. Vorstrafen wegen kleiner Diebstähle, meistens im Zusammenhang mit Musikern und Filmstars, für die sie eine Schwäche hatte. Poster, DVDs, T-Shirts. Hat für eine Reihe von Online-Foren über Tasia McFarland und Searle Lecroix Beiträge geschrieben. Der Suchverlauf ihres Computers zeigt, dass sie im Netz ungefähr tausendmal so oft nach Lecroix geforscht hat wie nach anderen Sachen.«
»Aber? Ich seh dir doch an, dass es ein Aber gibt.«
»Sie ist nicht auf dem Bildmaterial von dem Konzert, bei dem Tasia gestorben ist. Zumindest nicht auf den Aufnahmen aus der Umgebung der VIP-Suiten.«
Jo nickte, aber eher aufgeregt als zustimmend. »Und?«
»Sie hat auch nicht Tasias Mietwagen beim Stadion beschädigt. Die Überwachungskameras haben jemanden aufgenommen, der das Fahrzeug zerkratzt, aber es war nicht Petty. Die Person trug Sonnenbrille, Kapuzenshirt und Handschuhe, war aber deutlich schlanker.«
»Wer war es?«
»Gute Frage. Und noch was, was nicht passt. Sowohl in Pettys Hotelzimmer als auch in Tasias Küche haben wir Streichhölzer gefunden.«
»Was ist daran so besonders?«
»Gleiche Marke. Smiley’s Gas’n’ Go in Hoback, Wyoming. In der Nähe des Grand-Teton-Nationalparks.«
»Lass mich raten - es gibt nichts, was belegt, dass eine der Frauen je in Hoback war?«
»Petty war nicht mal in Wyoming.«
»Trotzdem, viel ist das nicht.«
Tang beugte sich vor. »Das Streichholzheft in Tasias Küche lag neben einem Umschlag. Selbstklebend, also keine DNA drauf. Abgeschickt in Herndon, Virginia - gar nicht weit von dem Hotel, wo Tasia mit dem Präsidenten verabredet war. Poststempel vom Tag nach dem Treffen.«
»Und die Streichhölzer in Pettys Zimmer?«
»Wir haben eine Durchsuchung ihrer Wohnung in Tucson beantragt.«
»Eine Frage. Petty hat über vierzehnhundert Nachrichten an eine E-Mail-Adresse geschickt, die Tasia nicht veröffentlicht hatte. Wie ist sie an die Adresse gekommen?«
»Daran arbeiten wir noch.«
»Danke, Amy.« Jo erhob sich. »Wünsch mir Glück. Bist du im Polizeipräsidium?«
»Nein, ich hab mir den Nachmittag freigenommen. Ich helf meinen Eltern, ihren Laden wieder in Schuss zu bringen.« Sie hob die Hände und ließ die gespreizten Finger wackeln. »Wir bestellen Feuerwerkskörper. Wird bestimmt aufregend.«
Ivory saß im Café Hi-Way, eineinhalb Kilometer südlich des San Francisco International Airport. Das Steaksandwich hatte sie nur zur Hälfte verspeist.
Die Kellnerin kam wieder mit der Kaffeekanne. »Na, schon ein bisschen aufgewärmt?«
Ivory hatte bereits vier Tassen von dem furchtbaren Gebräu
getrunken, trotzdem hielt sie ihr den Becher hin. Die Kellnerin durfte nicht auf die Idee kommen, dass sie hier bloß herumlungerte. Sie schlug die Zeitung auf. Immer nur der RDW, der alles in die Luft jagte, komischen Scheiß fraß und Pläne zur Zerstörung der USA ausheckte. Die Kellnerin verschwand. Unauffällig spähte Ivory durch die großen Fenster mit Blick auf die Bucht. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern.
Über dem Wasser näherten sich Flugzeuge dem Airport. Normalerweise donnerte alle zwei Minuten eine Maschine vorbei. Doch in der letzten Viertelstunde war nicht eine geflogen. Der Himmel wurde freigehalten.
Ivory würgte einen pampigen Bissen von dem Sandwich hinunter. Sie brauchte das Fleisch. Aber sie konnte nur daran denken, wie das Blut aus dem Kopf ihrer Schwester strömte.
Sie war heute nicht zur Arbeit erschienen. Blue Eagle konnte sich den Job samt den illegal konfiszierten Steuern
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